Also hier mal mein Feedback zum Beitrag. Ich hab ihn jetzt viereinhalb Mal gehört und über all das nachgedacht, was darin vorkommt und was hier schon geschrieben wurde. Mich hat zugegeben verunsichert, wie viel Wut und Ablehnung hier rüberkam. Am Ende muss ich sagen: Mit manchem stimme ich überein, mit manchem nicht:
Ich finde den
Titel unpassend. Das habe ich oben schon erklärt. Das Wort „Kontrolle“ überschattet wie ein schlechter erster Eindruck den Beitrag und katalysiert negative Assoziationen bei Leuten, die empfindlich auf das Stichwort reagieren. Zudem kann es die Ansicht vieler, Pädophilie sei etwas, was nur mit außerordentlichen Kontrollmechnismen (Selbstbeherrschung oder von außen obstruiert) zu bändigen sei, zementieren.
Kritik an mir selber muss ich üben, als ich von der Situation mit dem nackten Kind spreche: ich erwähne da nur
negative Emotionen „das muss ich jetzt nicht jeden Tag haben“. Grund ist dass doch im persönlichen Kontakt noch immer eine Hemmschwelle in mir drin ist einfach klar zu sagen: ja, das fand ich schön und das bewegte was in mir. Memo an mich selbst: beim nächsten Interview freier sprechen.
Amelung finde ich sehr
ungünstig reingeschnitten. Auf den Ottonormalzuhörer wird das den Eindruck eines Beurteilens von mir und „Anna“ machen. Sachlich betrachtet sind das aber relevante Fragen, die er stellt, die ich von einem Menschen erwarte, der so eine Situation hinterfragt und kritisch betrachtet. Im Gegensatz zum realen Kontakt kennen „Anna“ und ich Amelung nicht und umgekehrt. Was mir hier fehlt ist ein Dialog, der auch die Rückantwort erlaubt: der Experte schätzt die kleinen Leute ein und ordnet das, was sie sagen, für den Zuhörer ein. Allerdings finde ich, dass er damit differenziert betrachtet auch irgendwie als Schlechtmacher rüberkommt, der „Anna“ ihr Urteil abspricht, das sie zuvor sehr gut begründet hat. Was ich fehl am Platz finde: Die Rückfragen (welches Verhältnis sucht der Mensch zu wem?) stellen Freundschaften zu Kindern generell infrage und auch mein Verhältnis zu „Anna“. Sie werden genannt und sind nicht in jedem Fall verkehrt zu stellen, aber sie geben dem Hörer keine Richtung vor für den eigenen Umgang mit pädophilen Menschen: Ist es nun verkehrt, ein Verhältnis zur Mutter zu suchen, oder wenn man Freundschaft mit einem kind sucht?
Die Ampel ist meiner Meinung nach und auch Rückmeldungen anderer nach ein sehr gutes Hilfsmittel um orientierungslosen Seelen erstmal etwas an die Hand zu geben. Eine erste
Hilfskonstruktion, auf der man im Laufe der Zeit aufbauen, sie für sich anpassen und verändern kann. Und sie wird auch relativiert: „So systematisch diese Empfehlungen auch erscheinen, keine Untersuchung zeigt, wie wahrscheinlich es ist, dass ein Pädophiler in seinem Leben tatsächlich einen sexuellen Übergriff begeht.“ sowie durch die Beispiele, die Franz, Pascale, „Anna“ und ich erzählen.
Ahlers Aussage zu Pädophilen, sie
könnten nicht so gut mit Erwachsenen ist eine, die ich nur bedingt unterstützen würde. Ich erlebe es so und ich kenne einige Pädos, die das auch so erleben und offenbar hat er auch viele solche Beispiele getroffen. Vielleicht ist das die Mehrheit der Pädos, vielleicht nicht. Aber alle sind es meiner Erfahrung nach nicht. In der Kürze eines Interviews ist auch das aber kein grober Fehler: es muss zusammengefasst und auf wesentliche Punkte eingegangen werden. Dabei fallen Nuancen unter den Tisch, das ist klar. Auf jeden Fall ist es keineswegs ein negatives Urteil über Pädos. Auch die unmittelbar danach genante „ganzheitliche emotionale Partnerschaft auf Augenhöhe“ ist etwas was definitiv NICHT alle Pädophilen wollen. Ich bin sogar vielen begegnet (definitiv nicht die Mehrheit) die nur rein sexuelles Interesse an Kindern haben und sich sonst nicht für sie interessieren. Ein ähnlicher Punkt wird auch gleich danach von Franz Wuth eingeworfen: kein Interesse an Partnerschaft.
Die Geschichte mit den „
Nicht-Übergriffs-Tätern“ wurde von Till Amelung selbst aufgeklärt, dass der Zusammenhang dort Kipo-Täter im Gegensatz zu übergriffigen Pädophilen mit hands-on-Delikten meinte:
KTW - Standort Berlin hat geschrieben: ↑Mi 7. Mär 2018, 12:13
"Diese pädophilen Nicht-Übergriffstäter" – Ich bin mit diesem Wortmonster auch nur mäßig zufrieden. Ich finde es im Zusammenhang mit Pädophilie außerordentlich schwierig, gut verständliche und gleichzeitig präzise Begriffe zu finden. Das Statement auf Seite 14 ist meine Antwort auf eine Frage von Frau Sauvageot, welche Ergebnisse unsere Studie NeMUP zutage gefördert hat. In dieser Studie fanden wir, dass
pädophile Männer, die keine sexuellen Übergriffe begangen haben, wohl aber zum Teil Bildmaterial mit sexuellen Übergriffen gegen Kinder zur Selbstbefriedigung nutzten, eine höhere Impulskontrollfähigkeit gegenüber pädophilen Übergriffstätern aufweisen. In diesem Kontext erschien mir das gewählte Begriffskonstrukt als das treffendste. Die so bezeichnete Gruppe enthielt eben doch auch Täter der Nutzung von sexuellen Missbrauchsabbildungen von Kindern. Diese als Nicht-Täter zu bezeichnen wäre wissenschaftlich nicht korrekt gewesen. In der Verkürzung im Beitrag kommt diese Differenzierung allerdings nicht mehr zum Tragen.
Dies hätte im Beitrag angemerkt werden sollen.
Sehr gut finde ich vom Herrn Amelung, dass er auch die Situation im Ausland anspricht: dass dort diese Forschung gar nicht so möglich ist, wie in Deutschland, und wie außerordentlich wichtig die Schweigepflicht ist. Dass und warum dort jeder, der schon mal etwas strafbares getan hat und auch wer nichts dergleichen getan hat, keine Freiheit hat „einfach“ zum Therapeuten zu gehen und Hilfe zu suchen.
Ahlers geht später noch auf das Thema „
Outing“ ein und mahnt eindringlich zur Vorsicht. Man sollte sich schon super sicher sein, bevor man sich outet. Dann hinterfragt er etwas sehr Wichtiges: Es wurde hier seit Eröffnung des Forums wiederholt diskutiert, ob es ethisch vertretbar sei, mit Kindern zu arbeiten oder gewissen Menschen seine sexuelle Ausrichtung zu verheimlichen. Insbesondere Hannah war da weit vorn mit dabei. Ahlers fragt einfach gegen: „Welche Informationen haben Sie über die sexuellen Vorlieben Ihres Chefs?“ – Anders ausgedrückt: ja es ist auch aus Sicht dieser hier im Thread ziemlich angegriffenen Fachleute absolut
richtig die Klappe zu halten, denn es geht einfach niemanden etwas an, wer worauf steht. Das finde ich super wichtig als Botschaft an stark verunsicherte Pädos, die mit dem Gedanken ein ein Outing spielen, dass katastrophal verlaufen könnte.
Was massiv kritisiert wurde ist die Aussage von Amelung, dass er
Arbeit mit Kindern nicht sinnvoll findet, „tagtäglich mit den gewünschten Sexualpartnern zusammen zu sein … ist die maximale Herausforderung“. Dass alle seine Patienten aus Berufsfeldern der Kinderbetreuung den Beruf gewechselt haben finde ich seltsam. Aber da fehlt die Anzahl: Waren das drei Leute oder 25? Bei 25 fände ich es bedenklich und würde mich fragen, ob der Mann tendenziös therapiert, den Leuten etwas einredet. Aber Zahl und Umstände würden erst ausmachen, ob das womöglich ungerechtfertigt ist. Und die liegen uns nicht vor.
Und ebenso wie Amelung „Anna“ hinterfragt relativieren daraufhin sowohl Herr Ahlers (!) als auch ALLE drei Pädophilen im Beitrag (!!) die Ausführungen von Herrn Amelung zur Arbeit mit Kindern indem sie pro-Argumente zu diesem Thema liefern. Wenn man dies schon als eine Art Wettbewerb ansieht finde ich gleicht dies die Infragestellung von „Anna“ zu Beginn gut aus.
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Zusammenfassend schließe ich mich Herrmann und Pascale an und finde
Hermann-AGPD hat geschrieben: ↑Mo 5. Mär 2018, 21:48
Journalistisch ist das eine der besten Arbeiten, die mir zu diesem Thema bisher zur Kenntnis kamen!
Kleine Abzüge gibt es von mir für den Titel, die sachlich falsche Einführung der Begriffe „Non-Offender“ sowie „Nicht-Übergriffs-Täter“ durch die Sprecherin und dafür, dass Amelung „Anna“ und mich fernbeurteilt, was ich nach wie vor einseitig finde. Dass kein Dialog möglich war finde ich auch schade aber es ist wohl dem konkreten Medium geschuldet. Ich denke das ist ein Projekt für die Zukunft, was ich echt wichtig fände, so wie Mascha es vorgeschlagen hat. Was mich sehr freut ist die im Vergleich mit anderen Beiträgen sehr neutrale Gegenüberstellung von Betroffenensicht und Kommentaren von Fachleuten. Auch dass Herr Ahlers mal mit seinen Ansichten zitiert wird, die mit uns übereinstimmen. Ich weiß aus persönlichen Begegnungen mit ihm, dass er die schon lange hegt, sie ihm wichtig sind und er sie auch bei Gelegenheit zu Gehör bringt. Aber ich kann mich nicht erinnern, dass er bisher jemals so sehr pro-Entstigmatisierung auch zitiert wurde.
Mir bleiben das Interview und der Beitrag als eine positive Erfahrung im Sinn. Danke Philine!
Zuletzt Dank an Jens Wagner und Till Amelung, die mit ihren Posts hier auch bei mir einige Wogen geglättet haben, indem sie noch ein paar Hintergründe erklärten.