Pädophilie = verminderte Schuldfähigkeit?

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Sollte eine Pädophilie bei Kindesmissbrauchstätern eine verminderten Schuldfähigkeit bedeuten?

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Sirius
Administrator Emeritus (Inaktiv)
Beiträge: 2350
Registriert: Di 7. Feb 2017, 21:55
Wohnort: 127.0.0.1

Pädophilie = verminderte Schuldfähigkeit?

Beitrag von Sirius »

In Augsburg hat ein pädophiler Kinderarzt über Jahre hinweg insgesamt 21 Jungen entführt und missbraucht. Die Jungen hat er zum Teil gezielt mit Süßigkeiten und Spielzeug angelockt, einen Jungen hat er betäubt bevor er ihn in seiner Wohnung vergewaltigte.

Für seine Taten hat der Kinderarzt 13,5 Jahre Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung und lebenslangen Berufsverbot bekommen. Dieses Urteil wurde allerdings vom Bundesgerichtshof mit folgender Begründung aufgehoben:
Vor allem in einem Punkt waren die Bundesrichter nicht zufrieden. Sie sahen es kritisch, dass Harry S. zwar klar als Pädophiler eingestuft wurde, dessen sexuelle Interessen sich ausschließlich auf Kinder fokussieren. Gleichzeitig ging das Urteil aber auch davon aus, dass er bei seinen Taten voll schuldfähig war. Die Bundesrichter verwiesen das Verfahren nach Augsburg zurück. Verbunden mit dem Hinweis, die Frage der Schuldfähigkeit noch mal genauer anzusehen.
(Quelle)

Kurz gesagt geht es darum, ob die pädophile Neigung des Täters bedeutet, dass er nicht voll schuldfähig war als er diese Jungen missbraucht hat. Falls dies so bestätigt werden sollte würde er wohl eine wesentlich mildere Strafe zu erwarten haben.

Dies führt mich zu der obigen Frage, zu der ich gerne mal eure Meinung hören würde. Sollte jemand, der pädophil ist als vermindert schuldfähig gelten, wenn er einen Kindesmissbrauch begeht? Kann man da eine pauschale Antwort geben, oder sollte man auf den Einzelfall gucken? Wie sieht es konkret in dem hier vorliegenden Fall aus, haben die Bundesrichter hier eurer Meinung nach richtig gehandelt als sie die Schuldfähigkeit des Missbrauchstäters aufgrund seiner Pädophilie in Frage gestellt haben?

Meine eigene Meinung dazu halte ich für den Moment noch zurück, um die Umfrage nicht direkt in eine Richtung zu beeinflussen.
Aiko
Gesperrt
Beiträge: 3762
Registriert: Mi 3. Mai 2017, 15:37

Beitrag von Aiko »

Nun als Krank und vermindert Schuldfähig würde ich mich sehen. Zumal ich, wenn ich auf SmK eingehen würde, es nicht so ablaufen würde wie bei dem. Betäubung? Wtf!

Was aber Fakt ist: wird man als Pädo verurteilt konnte man bisher mit mehr Strafe rechnen als ein Ersatztobjekttäter. Selbst wenn der Ersatzler unter Nötigung und Zwang agiert hatte und der Pädo nicht.
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Mascha
Inaktiv
Beiträge: 3607
Registriert: Sa 6. Mai 2017, 07:55

Beitrag von Mascha »

Also erstmal finde ich ich habe zu wenig Informationen für diesen einen Fall, um da etwas beurteilen zu können.

Aber völlig losgelöst davon und ganz abstrakt habe ich eine sehr klare Meinung zum Thema Schuldunfähigkeit und Pädophilie. Meiner Meinung nach darf man das auf gar keinen Fall miteinander verknüpfen. Ich glaube das würde der ganzen Debatte um Pädophilie und Entstigmatisiering einen Bärendienst erweisen.

Denn wenn man Pädophilie als sexuelle Orientierung sehen möchte, die nicht eine Krankheit oder Störung darstellt, weshalb sollte man dann im Falle ausgeübter sexualisierter Gewalt von einer verminderten Schuldunfähigkeit ausgehen?
Das finde ich tatsächlich eine Katastrophe. Ein seelisch gesunder Mensch, der im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte ist, kann doch nicht auf Schuldunfähigkeit plädieren, wenn er einen anderen Menschen sexuell belästigt oder sogar vergewaltigt?!

Wer bei einer Straftat, in der der Täter pädophil ist, diesem allein wegen seiner Neigung eine Schuldunfähigkeit zusprechen möchte, definiert Pädophilie offensichtlich als eine schwere psychische Störung. Die automatisch gekoppelt ist mit Dingen wie Impulskontrolle, Empathie-Defizit etc.
Interessant finde ich, wie das aufgenommen würde, wenn z.B. SuH im Namen vieler gegen ein solches Urteil protestieren würde.
Ex-Marco
Inaktiv
Beiträge: 218
Registriert: Sa 15. Apr 2017, 17:08

Beitrag von Ex-Marco »

Sollte eine Pädophilie bei Kindesmissbrauchstätern eine verminderten Schuldfähigkeit bedeuten?
Eine pädophile Präferenz als solche darf auf keinen Fall eine verminderte Schuldfähigkeit bedeuten. Eine Impulskontrollstörung oder eine zusätzliche Persönlichkeitsstörung im Einzelfall vielleicht schon.

Dass diese Diskussion vor einem Gericht ersthaft geführt wird, wundert mich. Es käme ja (hoffentlich!) auch niemand auf die Idee, einem Frauenvergewaltiger eine verminderte Schuldfähigkeit zu attesttieren, nur weil er eine heterosexuelle Präferenz hat.

Nu wenn es um das Thema Pädophilie gehrt, da verlaufen die Diskussionen manchmal in höchst merkwürdigen Bahnen, die für mich nicht mehr nachvollziehbar sind.
Gründer und Alleinbetreiber (2006-2011) von "Schicksal und Herausforderung"
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inte
Inaktiv
Beiträge: 615
Registriert: Mo 20. Nov 2017, 02:22

Beitrag von inte »

Ich sehe es als angemessen an, dass im Fall von Harry S. noch einmal differenziert wird.

Die Öffentlichkeit, hat ausschließlich ihre Informationen aus Medien und Presse, anders sieht es beim Gericht aus, wo alle Informationen zusammen fließen, die zur Würdigung der Person und seiner Straftaten ausschlaggebend sind, die zwar (meistens) alle in einer öffentlichen Sitzung, an die Öffentlichkeit getragen werden, außer es wird dem Ausschluss der Öffentlichkeit, bei manchen Aussagen statt gegeben (generell bei Aussagen der kindlichen Opfer, ist die Öffentlichkeit ausgeschlossen), worüber jedoch nur unzureichend berichtet wird, wie es uns allen bekannt ist, sodass die Öffentlichkeit zu meist nur ein verzerrtes Bild erhält.

Es geht auch nicht darum, ob seine wohl nachgewiesene pädophile Neigung, wie Sirius geschrieben hat, der Grund dafür war, das er Jungen missbraucht hat, sondern darum, ob sein Sozialverhalten pathologische Züge aufweist, die zumindest ich meine stark zu erkennen, solange ich diesen Fall bereits mitverfolge.

Daher, ist auch deine Frage, Sirius, nicht ganz korrekt gestellt, die Bundesrichter haben seine Schuldfähigkeit nicht aufgrund seiner Pädophilie in Frage gestellt, sondern fordern gerade dazu auf den Einzelfall zu betrachten.

Der Hintergrund ist, dass ein Straftäter mit pathologischen Zügen, in einer JVA mit einer anschließenden Sicherungsverwahrung falsch untergebracht wird, eine JVA ist eine reine Verwahranstalt, wo Hilfsangebote dem Gefangenen ausschließlich als „freiwillige“ Option im Rahmen des Vollzuges angeboten werden, die er jedoch für sich nicht als verbindlich anzusehen hat.

Bei einer Nichtschuldfähigkeit, wird er von Strafvollzug in den Maßregelvollzug nach § 63 und § 64 StGB verlegt, d.h. in eine geschlossene forensische Psychiatrie, dort gilt er nicht mehr als Gefangener, stattdessen ist er ein Patient, mit für ihn verbindlichen Hilfsangeboten, wo er von den vorh. Rahmenbedingungen auch hingehört, da dort mit ihm intensiv gearbeitet wird. Das ändert auch nichts am Strafmaß, der abgeurteilten 13,5 Jahre Haft, die werden, sehr wahrscheinlich, unverändert bestehen bleiben.
Die Sicherungsverwahrung, das wirkliche Lebenslänglich wird wegfallen, doch heißt das nicht zwingend, das er nach 13,5 Jahren wieder auf freien Fuß gesetzt wird im Rahmen des Maßregelvollzuges, dort wird schon (bis auf Ausnahmen, siehe zurückliegende Fälle) genauer hingeschaut, ansonsten verbleibt er dort, was einem Lebenslänglich (der Sicherungsverwahrung) gleich kommt.

Was seine Tätigkeit als Mediziner angeht, so ist es auch unerheblich, ob er ein gerichtliches lebenslanges Berufsverbot ausgesprochen bekommt, oder nicht, denn darum kümmert sich ggf. auch, wie ich aus einem privaten Fall erfahren habe, die Ärztekammer selber, mit einem Verfahren zur Aberkennung seine ärztlichen Approbation auf Lebenszeit.
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inte
Inaktiv
Beiträge: 615
Registriert: Mo 20. Nov 2017, 02:22

Beitrag von inte »

Was mir noch einfällt, oder das Instrument, der Sicherungsverwahrung, wird in eine optionale nachträgliche Sicherungsverwahrung abgeändert, sofern sich während des Maßregelvollzuges keine sichtbaren Besserungen oder Behandlungserfolge abzeichnen sollten, womit dem Betroffenen auch eine Rückführung in den Strafvollzug droht, sofern er eine Mitarbeit verweigert.
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Caspar Ibichei
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Beitrag von Caspar Ibichei »

Grundsätzlich bin ich auch nicht der Meinung, dass die pädophile Ausrichtung strafmildernd wirken sollte.
Andere Gründe wie Einsicht in das Fehlverhalten und eine Perspektive auf Änderung greifen auch heute schon.

Was ich schon eher befürworten würde ist eine Anrechnung der gesellschaftlichen Bestrafung (Stigmatisierung) wenn der Prozessinhalt von der Justiz in der Öffentlichkeit breitgetreten wird. Auch das sehe ich als Bestrafung an die sich direkt auf die Neigung und weniger auf die eigentliche Tat bezieht.
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Aiko
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Beitrag von Aiko »

"Andere Gründe wie Einsicht in das Fehlverhalten"

Auch so eine Sache. Was ich nicht als Fehlverhalten ansehe kann ich auch nicht als solches "Einsehen". Eine Farce wenn man dann "härter" bestraft wird. Hat was religiös Sektenartiges.
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Mano
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Beitrag von Mano »

Caspar Ibichei hat geschrieben: Mo 3. Dez 2018, 18:24 ...wenn der Prozessinhalt von der Justiz in der Öffentlichkeit breitgetreten wird.
Ich bin heute der Überzeugung, die "Strafe" von meinem Umfeld ist für mich um einiges grösser als die von der Justiz. :(
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Sirius
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Beitrag von Sirius »

inte hat geschrieben: So 2. Dez 2018, 13:46 Daher, ist auch deine Frage, Sirius, nicht ganz korrekt gestellt, die Bundesrichter haben seine Schuldfähigkeit nicht aufgrund seiner Pädophilie in Frage gestellt, sondern fordern gerade dazu auf den Einzelfall zu betrachten.
Bist du dir da sicher? In allen Medienberichten, die ich zu dem Fall gefunden habe wurde es so dargestellt, als ob die Richter seine volle Schuldfähigkeit nur aufgrund seiner ihm attestierten pädophilen Neigung in Frage gestellt haben. Wobei es mich jetzt auch nicht wundern würde, wenn bei dem Thema die Medien mal wieder solche Unterscheidungen nicht auf die Reihe gekriegt haben sollten...
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