Das sind grundsätzlich keine neuen Informationen, Wissenschaftler von der Fernuni Hagen haben vor einem Jahr schon festgestellt:
Konkret schrieben Beier et al.: „Therapie für Pädophile/Hebephile im Dunkelfeld kann dynamische Risikofaktoren im Hinblick auf sexuellen Kindesmissbrauch verändern und entsprechende Verhaltensweisen reduzieren.“ Wie Andreas Mokros und Rainer Banse in ihrer aktuellen Veröffentlichung zeigen, wurde in der Originalarbeit jedoch die maßgebliche Wechselwirkung gar nicht betrachtet, nämlich die zwischen Gruppenzugehörigkeit (behandelt/unbehandelt) und Zeitpunkt (vorher/nachher). Berücksichtigt man diese Wechselwirkung, erweisen sich die erwähnten dynamischen Risikofaktoren in der Behandlungsgruppe als allenfalls geringfügig verändert; in keinem Fall wich der beobachtete Effekt signifikant von der Zufallserwartung ab. Damit ist eine mögliche Wirksamkeit der Behandlung zwar nicht widerlegt, vor allem aber auch nicht empirisch belegt
Quelle
Mascha hat geschrieben: ↑Mi 3. Jun 2020, 09:30
Das Problem ist ja, dass bis heute eine gesellschaftliche Anerkennung dafür fehlt, dass pädophile Menschen an sich auch ein Recht auf ein gutes Leben und eine geeignete psychosoziale Versorgung haben.
Genau das, finde ich, ist der wesentliche Punkt. Zunächst einmal empfinde ich es schon als höchst stigmatisierend, dass der Erfolg eines Therapieprojektes für pädophile Menschen ausschließlich daran gemessen wird, wie viele Straftaten verhindert wurden, und die psychische Gesundheit der Patienten noch nicht einmal erwähnt wird, so als sei dies komplett irrelevant.
Man könnte es auf die Spitze treiben und sagen: wenn KTW jeden Patienten dazu bringen würde, Suizid zu begehen, dann wäre es nach dieser Metrik sensationell erfolgreich. Denn damit wäre die Rückfallquote nach Therapie bei den von Amelung erwünschten 0%, und alles andere spielt für die Medien ja eh keine Rolle.
Gleichzeitig bin ich inzwischen der Ansicht, dass ein Projekt, dass nur unter dem Aspekt der Prävention betrieben wird, von vorneherein zum Scheitern verdammt ist. Es ist eigentlich psychologisches Grundwissen, dass es nicht funktioniert, etwas
nicht tun zu wollen. Mit negativen Zielen kommt das Gehirn nicht wirklich zurecht. Wenn man sicherstellen will, bei einer Diät zu versagen, dann sollte man sich vornehmen,
nicht mehr so viel zu essen – denn das stellt sicher, dass man sich dann doch die ganze Zeit mit dem beschäftigt, was man eigentlich
nicht möchte, bis man es irgendwann nicht mehr aushält und den ganzen Kühlschrank auf einmal vertilgt.
Es gibt Hinweise darauf, dass das bei uns ähnlich funktioniert. Gerade durch die ständige Betonung, dass man "Kein Täter Werden" darf und die in den Medien breitgetretene Narrative, dass Pädophile professionelle Hilfe brauchen um nicht zum Täter zu Werden, wird womöglich das Übergriffrisiko sogar noch gesteigert. Eine
Anfang 2020 veröffentlichte Studie fordert deswegen, dass Therapien weniger auf Prävention und mehr auf Akzeptanz ausgerichtet sein sollten*. Etwas ausführlicher habe ich darüber mal in
einem Blogbeitrag geschrieben.
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(*) Das ist einer der Gründe, weshalb ich den WDR-Artikel auch sehr reißerisch finde. Die Konsequenz dieser Kritiken und Fragen sollte es meiner Meinung nach sein, das Konzept neu auszuwerten und zu überarbeiten, um neuere Erkenntnisse darin einfließen zu lassen – und nicht, die einzige therapeutische Anlaufstelle für pädophile Menschen grundsätzlich infrage zu stellen.