Erstens: Wissenschaft findet (fast) nur als Nebenprodukt heraus, wie die Welt funktioniert. Eigentlich soll sie „Wissen schaffen“, also bisher unbekannte Dinge beschreiben und bekannt machen. Das habe ich zugegeben erst bei der Anfertigung meiner eigenen Diplomarbeit wirklich mitgeschnitten. Woraus bestanden denn frühe wissenschaftliche Werke? Aus Zeichnungen von Tieren und Pflanzen, die man vorher noch nicht recht kannte, und Beschreibungen deren Aussehens und Verhaltens. Manchmal stand da auch ziemlicher Blödsinn dabei. Wie leidenschaftliche Beobachter dazu kamen groben Unfug, den sie garantiert nicht beobachtet haben konnten, wie etwa das pflanzenartige Baumwollschaf, dass an einem Baum wachse, oder Berichte über feuerspeiende Drachen in manche solche Werke aufzunehmen, ist mir bis heute ein Rätsel. Darüber würde ich mich gern mal mit einem Wissenschaftshistoriker unterhalten.
"Baumwollbaum" an dem Schafe wachsen. Literatur dieses Autors wurde offenbar tatsächlich ernst genommen zu seiner Zeit.
(Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Baumwolle)
Um das an aktuellen Beispielen festzumachen: Evolution und Relativität werden gemeinhin als Tatsachen gehandelt. Dabei sind beide lediglich formelhafte Beschreibungen dessen, was man beobachtet. Die eine eine vage Beschreibung eines Prinzips, nach dem sich Arten entwickeln und aufspalten könnten, die in den Details jedoch stark umstritten ist, die andere eine exakte mit Formeln super erfassbare Beschreibung der Raumzeit, die bis heute durch konkrete Experimente gut abgeprüft werden konnte. Ob der Raum aber wirklich gekrümmt ist um Gravitation zu vermitteln steckt in den Gleichungen nicht drin, lediglich: er verhält sich so als ob. Damit greife ich die Relativität nicht an sondern das ist das Wesen einer physikalischen Theorie: stelle eine Gleichung auf, die, auch wenn sie absurd aussieht, die Vorgänge der Wirklichkeit beschreibt und überprüfbare neue Vorhersagen macht. Bei der Quantentheorie stößt man da an eine ganz wunderbare Grenze: sie beschreibt exakt die Wirklichkeit, aber sie widerspricht dabei dem gesunden Menschenverstand. Was zeigt: die Natur ist sehr mathematisch aber längst nicht immer logisch. Die Gleichungen ergeben haarsträubenden Unsinn, dennoch BESCHREIBEN sie korrekt, wie Teilchen sich bewegen.
Zweitens leben wir nicht in einem allwissenden Zeitalter. „Endlich verstehen wir heute, dass Materie aus Elementen besteht! Elemente deren genaue Konstellation und Verhältnisse die Eigenschaften der Objekte und Materialien erklären! Und sie sind so einfach, nur 4 die das alles erfassen: Feuer, Erde, Wasser und Luft!“ – das könnte jemand vor Jahrhunderten ehrlichen vollen Herzens gesagt haben. Damals, war das die neue Theorie und in der Lage, im Rahmen des Wissens der Philosophen vieles zu erklären und Voraussagen zu machen. Heute lachen wir uns darüber schlapp. Ich bin überzeugt, dass sich die Menschen in 500 Jahren köstlich über manches amüsieren werden, was heute in diversen Wissenschaften in der Schule und an der Uni gelehrt wird: „Meine Güte, die haben damals, im 21. Jahrhundert, echt an die vier fundamentalen Kräfte der Physik geglaubt! Bloß gut, dass wir heute die zugrundeliegenden Gemeinsamkeiten kennen.“ – oder so ähnlich.
Seh dich selbst im Kontext deiner Zeit.
Drittens ist das Fach, um dass es hier auf dieser Plattform am häufigsten gehen wird, die Psychologie. Psychologie arbeitet mit Statistiken und Statistiken… nun ja, die Erfahrung werden viele in der Schulzeit gemacht haben: Statistiken sind echt schwer richtig zu verstehen. Im wissenschaftlichen Artikel steht: „Die Stichprobe der pädophilen Sexualstraftäter zeigte im Vergleich mit den nicht pädophilen Sexualstraftätern im Durchschnitt einen signifikant geringeren IQ, eine leicht geringere Körpergröße und eine deutlich häufigeres Auftreten von Linkshändigkeit“ (eine grobe Zusammenfassung der Ergebnisse aus ein paar Studien von James Cantor und Michael Seto). In den Köpfen und in der Zeitung wird daraus aber: „Pädophile sind klein, dumm und linkshändig.“, was absolut der Aussage der Studien widerspricht.
Hinzu kommt, dass Psychologie keine „exakte Wissenschaft“ ist, wo sich einfache berechenbare Zusammenhänge für vieles finden lassen. Sie ist viel stärker beschreibend und vage als etwa die Physik. In der Verhaltensbiologie ist das ähnlich. Das heißt Theorien lassen sich nur schwer hieb- und stichfest belegen oder widerlegen. Das öffnet Manipulationen und vorgefassten Meinungen Tür und Tor. Manch einer manipuliert absichtlich, zum Beispiel um Fördergelder einzustreichen, andere, wahrscheinlich vielfach mehr, bemerken gar nicht, dass sie in ihre Zahlenreihen mehr hineinlesen als drin ist. Weil sie ihre Theorie so sehr lieben oder sich aus versehen die falsche Stichprobe ausgesucht haben. Etwa weiße junge Männer von der Uni. Ein paar Dekaden später jetzt fragt man sich, ob solche Stichpoben denn wirklich für die Menschheit repräsentativ sind, und nicht nur für die amerikanische weiße männliche Mittelschicht… Durch diese Manipulationsmöglichkeiten kommt es besonders in der Psychologie auf die Überprüfung von Ergebnissen durch andere Forscher an, was (noch) selten gemacht wird (aber Gegenstand aktueller Bestrebungen ist).
Was also Kenntnisse zur Pädophilie angeht fußen sie aktuell auf Studien von dene manche kontrovers diskutiert werden und andere nur auf kleinen Stichproben basieren. Was Frauen etwa angeht sagen sie zB noch GAR NICHTS sicher aus außer, dass sie scheinbar seltener in Erscheinung treten mit einer Pädophilie. So vage ist auch noch manches was Männer mit Pädophilie betrifft und auch Wissenschaftler, Studenten und Journalisten rufe ich auf, ganz genau auf Aussagen zu schauen, ob sie überhaupt Sinn machen oder worauf sie genau beruhen, denn ich habe schon oft gruselig falsch vereinfachte Aussagen in Artikel wie in Abschlussarbeiten gelesen, oder Zitate aus so vereinfachenden Quellen.
Fazit: Wissenschaft ist ein wunderbares Mittel um Wissen zu vermehren, systematisch Dinge zu hinterfragen und Daten zu erfassen und wird ständig überarbeitet um bekannte Fehlerquellen wie Aberglauben oder gesellschaftliche Einflüsse mit der Art, wie die Daten erfasst werden, auszuschließen. Darin hat sich vieles verbessert und so verstehen wir viel mehr von der Welt als vor 1000 Jahren. Wissenschaft ist fantastisch und ein hohes Kulturgut, da sie der einzige bekannte Weg ist Behauptungen sinnvoll zu verifizieren oder zu widerlegen. Ich liebe die Wissenschaft dafür.
Doch Wissenschaft ist zu keinem Zeitpunkt vollkommen. Niemand weiß heute, was man morgen lächelnd oder kopfschüttelnd als neuzeitliches „Baumwollschaf“ oder „Vier-Elemente-Lehre“ erkennen wird. Wissenschaftler sind einfach keine Übermenschen, die durch die heute übliche Methodik völlig gefeit sind gegen materielle Interessen, Gruppenzwang, Vorurteile, Rollenbilder etc.
Wissenschaft sagt dir fast nie wie die Welt ist, sondern wie sie heute und vielleicht auch morgen noch Sinn ergibt.