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Schnuppe

Beitrag von Schnuppe »

Mascha hat geschrieben: Mo 21. Jun 2021, 14:57 Ich halte es nicht für sinnvoll, hier immer wieder gegeneinander aufrechnen zu wollen. Die Taten sind zu unterschiedlich. Ebenso die Motive hinter den Taten.
Ich halte es ebenfalls nicht für sinnvoll Taten "aufzurechnen". Aber die Probleme und Folgen von Taten sollten schon möglichst objektiv untersucht und analysiert werden.

Dass man Taten nicht "aufrechnen" kann, bedeutet gerade nicht, dass man nicht ganz genau hinschauen muss, was sich auf Kinder in welcher Weise mit welchen Folgen negativ auswirkt. Ohne diese Kenntnisse gibt es blinde Flecken und man kann die Aufmerksamkeit und Ressourcen im Kinderschutz nicht auf die Bereiche lenken, die für betroffene Kinder einen großen Unterschied machen können.

Kinderschutz sollte evidenzbasiert sein, damit er auch wirklich hilft und wirkt, wie er wirken soll. Die Forschung zu ACEs (adverse childhood experiences) liefert einiges an wissenschaftlich fundierten Informationen. Am schlimmsten wirkt sich emotionaler Missbrauch aus.

Zwei Studien:

Witt et al. (2019): The Prevalence and Consequences of Adverse Childhood Experiences in the German Population.

Monnat SM, Chandler RF. (2015): Long term physical health consequences of adverse childhood experiences

Mascha hat geschrieben: Mo 21. Jun 2021, 14:57 (...)
Im ausgelassenen "..." Bereich steht sehr viel, was ich absolut nachvollziehen kann. Überforderung und vieles andere kann zu Problemen und Gewalt führen.

Ich finde moralische Verurteilungen falsch. Jeder Mensch hat seine Geschichte - und oft auch die seiner Eltern und Großeltern. In der Regel kennt man die Geschichte nicht. Wer etwa tolle Eltern hatte, hatte Glück - wenn er als kleines Kind, so wie es vielen anderen geschieht, vernachlässigt wurde, der hatte vor allem Glück. Das Glück berechtigt nicht dazu auf Menschen herab zu sehen, die weniger Glück hatten.

Auch bei vernachlässigenden Eltern oder überhaupt bei Menschen, ist es oft so, dass sie ihr Bestes geben, auch wenn "das Beste" objektiv oft erhebliche Mängel aufweist.

Ein Arbeitskollege von mir hat nie von seinem Vater gesagt bekommen, dass er ihn liebt. Aber sein Vater hat immer dafür gesorgt, dass genug zu Essen da war, denn er hat als Kind selbst hungern müssen. Er hat sich also sehr angestrengt, seinem Kind das, was er selbst in seiner eigenen Kindheit am schlimmsten empfunden hat, seinem Kind zu ersparen. Trotzdem hat sein Sohn auf anderem Gebiet sehr gelitten. Bei schweren Traumata braucht es oft mehrere Generationen von Menschen, die ihr bestes geben, um es zu überwinden.
Mascha hat geschrieben: Mo 21. Jun 2021, 14:57 Frauen werden somit meist zu Täterinnen, weil ihnen die sorgende Rolle zugeschrieben wird und sie psychisch wie physisch überfordert sind. Sadistische Täterinnen oder Triebtäterinnen gibt es, sind aber statistisch die Ausnahme der Ausnahme.
Aha.

Frauen können also (in der Regel) gar nichts dafür, dass sie zu Täterinnen werden.

Wie schaut es denn mit Männern aus? Können die in der Regel etwas dafür?

Bei mir entsteht der Eindruck, dass du bei der Entschuldigung von Taten mit zweierlei Maß misst. Du als Frau entschuldigst Frauengewalt, weil Frauen ja (im Gegensatz zu Männern?) in der Regel nicht gewalttätig sind.

Das ist natürlich nicht 1:1, was du geschrieben hast, sondern meine Vermutung zu den impliziten Vorstellungen, die hinter deinen Worten meinem Eindruck nach stecken.

Ich habe noch einen weiteren Kritikpunkt zu dieser Passage:
Mascha hat geschrieben: Mo 21. Jun 2021, 14:57 (...), nur kann der Staat nicht so vielen Eltern 24/7 eine Hilfe an die Seite stellen. (...) Man versucht, soweit es geht, Eltern und Familien mit Hilfen von außen zu stützen, damit die Kinder bei den Eltern bleiben können, aber es gelingt nicht immer.
Mir ist das zu viel Staatsvertrauen.

Ich glaube durchaus, dass die allermeisten Mitarbeiter*Innen von Jugendämtern etc sich (zunächst) wirklich bemühen zu helfen, aber es ist keineswegs so, dass die Entscheidung ein Kind aus der Familie zu nehmen oder nicht wieder in die Familie zurück zu geben (oder die Entscheidung es in der Familie zu belassen), immer richtig ist. Sie kann es nicht sein, denn die Leute, die sich da engagieren sind auch nur Menschen und machen Fehler.

Es gibt aber keine gute Fehlerkultur, ähnlich in der Medizin. Ein Arzt, der einen Kunstfehler einräumt, verliert seinen Versicherungsschutz. Bei einem offenen Umgang mit Fehlern riskieren Ärzte ihre gesamte wirtschaftliche Existenz. Also machen Ärzte keine Fehler. Wobei sie in Wahrheit natürlich doch Fehler machen, weil sie ja Menschen sind.

Im Fall Lügde wurde auch das Versagen und eine Mitverantwortung der beteiligten Jugendämter scharf kritisiert. Da können leicht auch strafrechtliche Vorwürfe auftauchen (Unterlassene Hilfeleistung etc). Im Ergebnis müssen Mitarbeiter*Innen des Jugendamts Angst vor den Konsequenzen haben, wenn sie ein Kind nicht aus einer Familie (oder Pfegestelle) herausnehmen und dann etwas Schlimmes passiert. Es gibt einen Druck, den vermeintlich sicheren Weg zu wählen und das Kind lieber rauszunehmen, auch wenn es vielleicht gar nicht nötig wäre. In der Konsequenz ist man unangreifbar - aber zum Schaden des Kindes.

Ein wesentliches Problem im Fall Lügde ist aus meiner Sicht, dass sich Mitarbeiter so unter Druck sahen, dass sie Akten manipuliert haben. Ich sehe die Ursache nicht darin, dass die Manipulatoren schlechte Menschen sind. Es ist ein systemisches Problem - für das der Staat verantwortlich ist.

Ein System, dass menschlichen Fehlern vor allem mit Sanktionswut begegnet, ist nicht geeignet, die Fehler (und ihre Auswirkungen) zu minimieren. Vor allem können Fehler unter diesen Bedingungen kaum noch korrigiert werden.
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