von Frank Denker » So 28. Apr 2019, 13:52
Nachdem ich eigentlich die Diskussion als beendet gesehen habe, hat sich noch ein 25. Leser geäußert und als 7. auch der Verwendung seiner Texte zugestimmt.
Nicht nur wegen Letzterem finde ich, dass seine Gedanken gewisse Denkansätze liefern, weshalb ich nachfolgend die gesamten neuen Beiträge poste. Vor allem folgende abschließenden Worte empfinde ich als extrem wichtig:
"Leser 25" hat geschrieben:Der pth. (Anm. d.h. psychotherapeutische) Ansatz bezöge sich dann nicht auf die "Neigung", sondern auf die fehlende Einfühlung und Wahrnehmung des Kindes bzw. die fehlende Impulskontrolle.
Zum Thema Ursachenforschung und darauf aufbauende psychoterapeutische Ansätze:
Lesedauer ca. 35 min
Leser 25 hat geschrieben:
Hallo Frank, hallo Alisa, hallo Zusammen, also ich kann wieder mal nur mit größtem Respekt den Hut ziehen vor dem KR-Projekt und insbesondere vor seiner Qualität bzw. seinen Qualitäten. Hier wird mit großer (Selbst-) Verständlichkeit in erster Linie natürlich von Frank ein Thema abgehandelt, von dem ich mir schon lange wünsche, daß man (die Gesellschaft) sich drum kümmert. Mein Anliegen ist weiter gefaßt als das, was man mehr oder minder als "Pädophilie" bezeichnet, mir geht es um das Phänomen des "Mißbrauchs" generell und dabei um die Frage, warum Menschen anderen Menschen etwas "antun", wobei mehr oder minder ausgeprägt die Anwendung von "Gewalt" im Spiele ist. Besonders beeindruckt hat mich Franks Bericht an den Punkten, wo er sich eben klar davon abgrenzt, das Kind zu "benutzen". Mich bewegt die Frage, wie es ein Priester, Lehrer, Vater, Onkel etc. schafft, ein Kind für seine Zwecke zu "verwenden"... obwohl er in aller Regel weiß, wie schädlich dies für das Kind bzw. seine Entwicklung ist. Die Mütter, die die Liebe ihrer Kinder zur Erhöhung des eigenen Wohlbefindens verwenden (emotionaler Mißbrauch) lasse ich jetzt mal außen vor, auch weil hier keine offene Gewalt im Spiele ist.
Die bisherige Reaktion der Gesellschaft auf "Mißbrauch" beschränkt sich auf Abscheu und Wegsperren. Damit kommt man natürlich nicht viel weiter solange man nicht fragt, wie das Phänomen zustande kommt, also sich mit dem Verursachungskontext befaßt. Warum ich mein Anliegen hier jetzt einbringe hat damit zu tun, daß Frank Einblick gegeben hat in das Selbsterleben eines reflektierten und damit im Wortsinne Selbst-bewußten sog. Pädophilen... und ich benutze diesen Begriff hier jetzt einfach weiter, weil oder solange es keinen besseren gibt.
Bei der Frage, wie es Priestern ect... möglich ist, Kinder zu mißbrauchen, stellt sich mir die Frage, ob solche Menschen nicht in VERSCHIEDENEN Bewußtseins-Zuständen leben. Ein einfaches alltägliches Beispiel für verschiedene Bewußtseinszustände ist wohl, wenn jemand "böse" wird, den man als "freundlich" kennt. Dann sagt und tut er Dinge, die er "normalerweise" nicht sagen oder tun würde... und die Umgebung sagt "so kenne ich den oder die gar nicht". In der Regel sind die verschiedenen "Modi" des Erlebens und Handelns miteinander verbunden, der Betreffende weiß, was er tut oder getan hat und kann es halbwegs vernünftig begründen, warum er jetzt eben "böse" geworden ist. Wenn ein Priester (oder ein Vater, Onkel, Trainer etc.) einem Kind seinen Penis in den Mund steckt, ist meine Hypothese, daß man davon ausgehen muß, daß hier zwei voneinander unabhängig erlebende und handelnde Persönlichkeits-"Anteile" wirken:
• Der erwachsene und gebildete Würdenträger, der weiß, daß solches Handeln die Entwicklung eines Kindes ruiniert...
• und ein (wie ich bisher vermutete) "kindlicher" Anteil, der auf dem Entwicklungsniveau von Kindern ist, die in einem bestimmten Alter eben auch gerne "Doktor-Spiele" machen.
Ich gehe davon aus, daß der "Kardinal" und der "Doktor-Spieler" höchstens RUDIMENTÄR miteinander verbunden sind. So war bisher eben meine Arbeitshypothese zur Erklärung des Phänomens.
Jetzt, nach der Lektüre dieses Artikels und des umfangreichen Kommentar-Anhangs stelle ich mir (und Euch) die Frage, ob es nicht auch ein mehr oder minder unbewußter oder zumindest unterdrückter "Pädophiler" sein könnte, der da an die Oberfläche tritt und sich holt, was er braucht, um dann wieder hinter oder im "Kardinal" oder "Vater" oder oder... zu verschwinden. Über Rückmeldungen freut sich Leser 25
Leser 3 hat geschrieben:
Hallo Leser 25, ich sehe einiges ein wenig kritisch an deinem Text, doch der Reihe nach: Zunächst einmal, ich bin nicht zwangsläufig für andauerndes Gendern, fände aber grade vor dem Hintergrund, was hier immer wieder mitdiskutiert wurde, nämlich das sprachliche Framing von Täter*innen, wichtig zu erwähnen, dass es auch gewalttätigen Missbrauch durch Frauen (Lehrerinnen, Müttern, Tanten etc.) bzw. nicht-gewalttätigen Missbrauch, Manipulation etc. durch Männer gibt. Grundsätzlich teile ich (und ich glaube, aus den Diskussionen hier zu entnehmen, viele andere auch) deinen Wunsch, den "Verursachungskontext" von Taten stärker in den Fokus zu stellen, den Vorsorge ist gerade in solchen Zusammenhängen wesentlich wünschenswerter als Nachsorge (Strafe, Gefängnis). Andererseits zeigt uns gerade Franks Sicht, dass überfürsorgliche Vorsorge zu einer Stigmatisierung führen kann. Zudem denke ich, dass dieser Wunsch nach "Verursachungskontext" schnell in die Falle der Generalisierung und/oder des "Alle-unter-einen-Hut-zwängens führen kann, was mMn auch bei dir angedeutet wird. Ich hatte beim Lesen deiner Gedankengänge zum (psychischen) Hintergrund der Missbrauchstäter sofort das ganz starke Gefühl, du beschreibst Personen mit einer dissoziativen Identitätsstörung (DIS). Betroffene entwickeln, wie du beschreibst, verschiedene Persönlichkeiten, die sehr unterschiedlich sein können, und können sich dessen bewusst sein, sind es aber idR nicht. Selbst wenn du nicht dieses Extremum einer Krankheit, sondern nur Vorstufen davon im Sinn hattest, finde ich es sehr schwierig, allen (oder selbst den meisten) gewalttätigen Missbrauchstätern einen DIS-Hintergrund zu unterstellen. Ganz abgesehen davon, was das mit dem Framing der DIS-Betroffenen machen würde, glaube ich nicht, dass sich dieser Zusammenhang empirisch halten lässt. Ich habe zumindest keine Untersuchungen oder Statistiken, die einen solchen Zusammenhang nahelegen würden, finden können. Mir fallen zudem spontan zahlreiche andere Motive bzw. Hintergründe ein, die bei einem solchen Kurzschluss zwischen DIS und Missbrauchstaten nicht beachtet werden würden: Ich glaube z.B., selbst deine Prämisse, dass der Täter "in aller Regel weiß, wie schädlich dies [der Missbrauch] für das Kind bzw. seine Entwicklung ist", lässt sich nicht halten (und zu Tätern, bei denen das doch der Fall ist, fallen mir übrigens noch dissoziale Persönlichkeitsstörungen ein, die ihre Tat und Folgen rational einschätzen können, aber zu einer "normalen" emotionalen Beurteilung nicht in der Lage sind). Frank hat, wie er, glaube ich, auch selbst sagt, großes Glück, dass er in einem "normalen, guten" Umfeld aufgewachsen ist und sich noch heute bewegt (Frank, ich hoffe, ich trete dir mit dieser Annahme nicht zu nahe), dass er also soziale Verhaltensregeln gut erlernen konnte und an diese tagtäglich erinnert wird. Es gibt einige, denen dieses "Glück" nicht vergönnt ist, die in bereits gewalttätigen Umfeldern aufwachsen, wo also nicht unbedingt die traumatischen Auswirkungen von Gewalt als etwas, was man anderen nicht zufügt, erlernt werden, sondern vielleicht sogar als Alltag. Andere Stichworte wären persönliche Grenzen, Impulskontrolle etc. Ich denke also, dass Täter nicht zwangsläufig in dem Wissen handeln, etwas schlimmes zu tun, geschweige denn, sich immer über die Folgen ihres Handelns für die Opfer (Entwicklungsstörungen, Traumatisierung) im Klaren sind. Und ein letzter Hinweis noch: Im Gegenteil kann es sogar vorkommen, dass Täter (wie auch Opfer) sich aufgrund des Traumas der Tat erst im Nachhinein zu DIS-Betroffenen entwickeln, um das Erlebte zu verarbeiten. Also, alles in allem kommt es zumindest bei mir so an, als wäre deine Gleichung etwas zu einfach aufgebaut und ich hoffe, ich konnte dich doch zu einigen erweiternden Gedanken anregen. Ich glaube auch, nicht umsonst ist bisher die Nachsorge deutlich besser ausgebaut, denn die Ergründung der individuellen "Verursachungskontexte" erfordert deutlich mehr Zeit, Recherche und die Erforschung von Zusammenhängen, die gerade noch in den Kinderschuhen steckt. LG, Leser 3
Leser 25 hat geschrieben:
Hallo Leser 3, es freut mich, bei Dir auf jemand getroffen zu sein, die sich auch für die Hintergründe interessiert. Wenn Du findest, ich hätte das Thema zu sehr "reduziert", dann ist dies dem Umstand geschuldet, aus der grenzenlos erscheinenden Komplexität bio-psycho-sozialer Vorgänge (Hirn-Seele-Geist-soz. Miteinander) ein paar nachvollziehbare Stränge oder Linien herauszuarbeiten und mit Hilfe von halbwegs geeigneten Worten und Begriffen in einen Rahmen wie hier zu stellen in der Hoffnung, sich so verständlich ausgedrückt zu haben, daß andere Leute anbeißen und ein Dialog entsteht. Als jemand, der sich in der Schnittmenge von Natur- Geistes- und Sozialwissenschaften bewegt, wollte ich auf Fachterminologie bewußt verzichten und die Dinge in einer verständlichen Alltagssprache rüberbringen. Zu meinen Hypothesen bzw. "Gleichungen": Diese sind bewußt "reduziert", sonst kann man mit ihnen nicht gut umgehen. Wenn das nicht reicht, muß man halt noch andere Hypothesen dazu bilden, sie überprüfen... und am Ende das Ganze wieder zu einem Ganzen zusammenbauen, denn eine Summe von Einzelwahrheiten macht noch kein Ganzes.
Zum Bewußtseinszustand von "Tätern": Meine Hypothese ist, daß man Verbrechen nur in einem Zustand begehen kann, in der die "erwachsene" Seite der Persönlichkeit ausgeschaltet ist. Ich gehe aber schon davon aus, daß jeder Erwachsene über die erwachsenen Anteile verfügt, aber in der "Täterschaft" sind sie nicht präsent... und die ganze Persönlichkeit ist nicht gut integriert, sonst könnte der "Täteranteil" nicht so eigenmächtig handeln.
Mein Punkt, zu dem ich durch diesen Beitrag angeregt wurde, ist immer noch der: Steckt hinter dem ein Kind mißbrauchenden Priester ein "Kind, das Doktor-Spiele machen möchte" oder ein "Pädophiler", der das Problem hat, daß ihm nichts wirklich bewußt ist. Im letzteren Fall müßte man dann noch fragen, wieso da überhaupt Gewalt ins Spiel kommt... wobei das vermutlich auch nicht immer so ist... Verführung auf Seiten des Täters und Gutgläubigkeit auf Seiten des Kindes reicht vielleicht auch. Mit herzl. Gruß Leser 25
PS: Bei im Zölibat lebenden Priestern kann man ja auch einen erheblichen "Triebstau" und Schuldgefühle vermuten, denn Sexuelle Gefühle und Handlungen sind ja nicht gestattet. Freud bezeichnete die Sexualität des Menschen als "polymorph-pervers", was nicht abfällig gemeint ist, sondern beschreibend: "Vielgestaltig-sich in vielerlei Hinsicht ergebend". Aber "gar nicht" geht wahrscheinlich für Trieb-starke und wenig zur Sublimation fähige Männer nicht. Frank schrieb ja von einer erfüllten Sexualität mit seiner Frau, so daß er vermutlich nicht in einen "Triebstau" kommt...
Frank Denker hat geschrieben:Hallo Leser 25,
zuerst zu Deinem P.S.: "Triebstau" ist ein Begriff aus der Denkweise heraus, dass bei einem Mann permanent Samen nachproduziert werden, die ja irgendwie wieder "raus" müssen... Inzwischen ist allgemein bekannt, dass die Spermien nach 3 Tagen in den Hoden wieder abgebaut werden. Der eigentliche "Tieb" findet im Kopf statt. Somit ist es auch immer abhängig von den jeweiligen Tagesumständen, wie stark dieser "Trieb" - also der Wunsch nach Sexualität - in den Vordergrund rückt. Es ist ebenfalls ein Trugschluss, dass ich als verheirateter Pädophiler ja "...meine Frau zur Triebabfuhr habe..."... Diese Meinung höre ich nicht zum ersten Mal. Und doch kann ich am nächsten Tag einen unbändigen Wunsch nach Selbstbefriedigung zu intensiven Phantasien mit einem Mädchen verspüren (Anm.: mit mir allein!!!), obwohl am Abend zuvor meine Frau und ich beiderseits erfüllende Sexualität erlebt haben. (rotwerd) Wenn es also so einfach wäre, wie Du vermutest,... Ich weiß gar nicht, ob ich das als schön empfinden würde.
Auch bei Deiner Hypothese zu den Ursachen für missbrauchendes Verhalten denke ich, dass es wirklich gut wäre, wenn Du Recht hättest. Denn dann könnte man diese "Abspaltung" versuchen aufzubrechen, und Missbrauch wäre "Geschichte". Ich befürchte jedoch, dass es viel schlimmer ist! Ich befürchte, dass das, was wir hier als Missbrauch bezeichnen (die ganze Bandbreite: emotional, psychisch, physisch, sexuell, usw.), für denjenigen, der diesen begeht gar keiner ist! Der jeweilige "Täter" handelt m.M.n. mit dem klaren Bewusstsein, dass alles, was er tut, sein gutes Recht ist! Selbst die Tatsache, dass zur Durchsetzung seines Rechtes andere u.U. leiden müssen, ist für ihn absolut legitim, weil es für die eigene, persönliche Selbstverwirklichung unumgänglich ist!
Zuerst einmal: Wie komme ich zu solch einer vernichtenden "Arbeitshypothese"? Danach: Was kann man tun?
Wie komme ich also zu diesen Gedanken? Der Mensch ist zu allererst einmal ein Säugetier, welches (nach unserer Auffassung) etwas mehr Intelligenz abbekommen hat. Der Mensch ist aufgrund dieser Intelligenz immer bestrebt, mehr zu erreichen, als aktuell möglich erscheint. Und das tut er nicht wirklich wie eine Arbeitsbiene im Rahmen seiner Aufgabe innerhalb der Gesellschaft, sondern jeder sucht sich (prinzipiell und entsprechend seinen Möglichkeiten) den Platz in der Gesellschaft selbst aus. Doch dabei bleibt es nicht, denn Zeit seines Lebens versucht der Mensch, vor allem sich selbst zu verwirklichen, mehr aus seinem Leben zu machen, selbst glücklich und nicht nur "Arbeitsbiene" zu sein. Natürlich gibt es dabei Überschneidungen, dass ein Mensch etwas für das Glück von anderen tut, wie z.B. die Mutter, die um jeden Preis alles für die eigenen Kinder tut. Aber nüchtern betrachtet ist selbst das nur eine Handlung, die der eigenen Lebens- Erfüllung dient...
Der Mensch ist ein Individualist, der - wenn er ohne dem leben könnte - auf die ganze gesellschaftliche Sozialisierung verzichten würde. Das gilt zumindest die letzten paar Tausend Jahre und wohl noch eine Weile länger... Weil es sich aber für das eigene Überleben besser macht, die Aufgaben zu verteilen, haben sich unsere Gesellschaften entwickelt. Wir glauben zwar, dass wir als Menschen "über den Dingen" stehen, und doch verhalten wir uns nicht anders, als z.B. das Wolfsrudel, welches sich eines der rangniedrigsten Tiere als "Omega-Wolf" aussuchen. Es ist nicht nur an den Schulen so, auch in allen anderen menschlichen Strukturen gibt es diesen "Omega-Prügel-Knaben". Und alle anderen "darüber" sehen entweder weg oder hauen selbst mit d'rauf - froh darüber, nicht selbst dort unten zu stehen. Vielleicht haben sie sogar Mitleid mit dem Geplagten, aber tatsächlich würden sie lieber gern oben am anderen Ende stehen und genauso überzeugt herangehen, dass es völlig legitim ist, dass andere unter einem stehen. Und damit meine ich nicht (unbedingt) die betrieblichen Hierarchien, die für das Funktionieren einer Firma unerlässlich sind. Ich meine die menschlichen Strukturen mittendrin. Ich meine das, was jeder selbst für sein eigenes Leben und das seiner Mitmenschen unmittelbar um ihn herum beeinflussen kann.
Somit bin ich bei dem Thema, was sich ändern müsste: Eine Gesellschaft funktioniert aufgrund von sich entwickelten und weiter entwickelnden Regeln, Moralvorstellungen, gesetzlichen Reglementierungen, Wünschen, Bedürfnissen, Möglichkeiten, ... All' dieses schränkt die persönliche Individualität eines jeden Einzelnen ein. Ob wir jemals zu einer Gesellschaft erstarken, in welcher im Kopf eines jeden einzelnen der Gedanke an das Gemeinwohl überwiegt? Ich weiß es nicht! Aber wenn jeder einzelne schon heute die eigene Verantwortung für etwas nicht an andere abschiebt (Eltern z.B., die der Meinung sind, dass es reicht, wenn die Kinder in der Schule "erzogen" werden...) und diese Verantwortung als Teil seiner Aufgabe in diesem Leben sieht, selbst wenn es Einschränkungen für sich selbst bedeutet, dann wären eine Menge der aktuellen Probleme gar nicht mehr so omnipräsent. Wenn also - um beim eigentlichen Thema des Artikels zu bleiben - ein pädophil empfindender Mensch einmal weniger sich selbst im Mittelpunkt seines Denkens hat und z.B.(!) zumindest versucht, den Kindern zuzuhören, dann könnte er einmal mehr erkennen, dass die eigenen Wünsche "nicht so wirklich" mit denen der Kinder übereinstimmen. Und wenn jeder andere ein Mal weniger der Meinung ist, es sei sein "gutes Recht", Pädophile allein aufgrund ihrer Gefühle abzuurteilen, selbst wenn sie niemals auch nur in Erwägung ziehen, sexuell mit Kindern zu interagieren, dann bräuchten die Pädophilen auch ein Mal weniger mit der Angst leben, zum "Omega-Wolf" der Gesellschaft gemacht zu werden, damit sich die "anderen" von ihrer eigenen Verantwortung ablenken können... ...
Missbrauch ist vielschichtig. Bei manchem hat man erst jetzt erkannt, dass sich jemand durch etwas missbraucht fühlen kann. Jetzt gilt es, diese gesellschaftlichen Erkenntnisse auch "breitenwirksam" umzusetzen, indem jeder in seinem Umfeld und vor allem bei sich selbst darauf achtet, ob es wirklich "sein/ihr gutes Recht" ist, was er/sie gerade tut. Denn wenn wirklich jeder daran mitwirkt, jedem die "Normen" des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu vermitteln, indem diese "Normen" von jedem(!) aus Überzeugung vor-gelebt werden, dann wird es m.M.n. irgendwann einmal normal, dass jeder beim morgendlichen Aufwachen nicht(!) zuerst daran denkt, was die anderen für einen tun können... Dann haben nämlich auch mehr Menschen wie ich dieses - nein Leser 3, Du bist mir damit nicht zu nahe getreten! - Glück eines "normalen, guten Umfeldes"!
Jeder zuerst einmal im "Kleinen" bei sich - und dann in seinem Umfeld ...
Viele Grüße Frank Denker
P.S. Dass "gesellschaftliche Normen" kein starres Konstrukt sondern viel eher ein dynamisches Leitbild sein müssen, sollte klar sein!
Leser 25 hat geschrieben:
Hallo Frank, hallo zusammen, ich bin begeistert...! Das Thema gewinnt weiter an Tiefe und Breite und ohne "Rechthaberei"... so gehört sich das und KRAUTREPORTER macht´s möglich... danke an alle, die an der Möglichmachung beteiligt sind und an Dich, Frank und Alisa in vorderster Linie...! Also daß der "Triebstau" im Kopf stattfindet, da hast Du recht und für mich gehört zum "Trieb" im positiven Sinne das Streben nach einem "Höhepunkt" im weiteren Sinne, wozu körperliche Nähe, Hingabe, Verschmelzung und intensive Liebesgefühle gehören, ob dabei eine Samenabgabe erfolgt, ist dann gar nicht mehr so wichtig. Wie ausgiebig und oft man diese "Triebabfuhr" (ich würde es lieber "Höhepunkt" nennen) haben will, ist wohl ziemlich unterschiedlich... mit fällt der Satz von Martin Luther ein, der ja nach Aufgabe des Mönchsdaseins zur Häufigkeit des Sexuallebens mit seiner Frau, der ehem. Nonne Katharina von Bora, gesagt haben soll "in der Woche zwier, schadet weder ihm noch ihr". Auch bei der Frage, ob diese "Höhepunkte" in eine (Liebes-) Beziehung eingebettet sind, gibt es große Unterschiede: Von "unbedingt" bis zu "bloß nicht" gibt es hier alle Variationen von der Masturbation mit intensiven Phantasien, Bildern, Filmen (ein Paradies, aus dem man nicht vertrieben werden kann) über den Puff, Leute, die nur mit Urlaubsbekanntschaften Sex haben, bis hin zur festen Monogamie. Wie mag sich nun ein "Pädophiler" in diesem Spektrum verorten...?
Ansonsten finde ich Deinen (ich würde ihn "soziologisch" nennen) Ansatz gut nachvollziehbar.
Wenn es aber um "Mißbrauch" und "Anwendung von Gewalt" geht, reicht die Soziologie m. E. nicht aus, da braucht man psychologische Ansätze und da erscheint mir das Konzept der "Dissoziation", also der "Persönlichkeitsspaltung" in verschiedene Anteile, das auch Leser 3 eingebracht hat, fast unverzichtbar. Ich will das nochmal ableiten: Da ein Kind keinen Bedarf und keinen Nutzen daran hat, einen Priesterpenis in den Mund gesteckt zu bekommen, ist nahezu zwangsläufig Gewalt im Spiel. Der "erwachsene" Persönlichkeitsanteil eines Priesters (oder Trainers, Vaters, Onkels...) kann diese Gewalt nicht ausüben, denn "erwachsene" Anteile von Personen sind definitionsgemäß (dies ist ein Arbeitsmodell) auf dem Stand der Bildung, Erkenntnis und Lebenserfahrung des betreffenden Menschen und da ist klar, daß das Kind GESCHÄDIGT wird und man ein VERBRECHEN begeht.
Die Folge wäre, daß der Mißbrauch eigentlich nur von einem Persönlichkeitsanteil ausgeübt werden kann, der nicht über die Kenntnisse, die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Erwachsenen verfügt, also eben ein Kind in dem Alter und Entwicklungsstand, das zu "Doktor-Spielen" paßt. Das war bisher für mich der Stand der Dinge und nun dachte ich, Du könntest da noch spezifische Erkenntnisse beisteuern. Ich stelle mir jetzt vor, Du würdest sagen "wenn in dem Priester eine pädophile Neigung steckt, dann würde die auf der "erwachsenen Ebene" so ausgelebt", also so, wie Du es tust, nämlich ohne Beteiligung eines Kindes.
Offen leibt dann die Frage, wie die Gewaltanwendung bzw. das Verbrechen zustande kommt... und da könnte dann auch wieder die Dissoziation greifen.
PS: Das Modell der Persönlichkeitsanteile, in dem der Mensch eben über eine Anzahl solcher mehr oder weniger verbundener "Teile" verfügt, die aus verschiedenen Erfahrungshorizonten des Lebens stammen, ist natürlich nur ein "Modell"... d. h. es ist nützlich zum Verständnis von Phänomenen, hat aber Grenzen und darf nicht "reifiziert", also nicht mit der Realität verwechselt werden. Mit besten Grüßen Leser 25
Frank Denker hat geschrieben:
Hallo Leser 25, ich hatte es schon einmal geschrieben: "Es wäre schön, wenn es so (einfach) wäre."
Zitat: "...da ist klar, daß das Kind GESCHÄDIGT wird und man ein VERBRECHEN begeht." Zitat Ende
Was jedoch ist, wenn dieses eben GAR NICHT klar ist? Bitte nicht falsch verstehen! Ich meine damit nicht meine(!) Einstellung! Doch Dein Ansatz, jemand könne nur dann Gewalt (in jedweder Form) ausüben, wenn er sich von seinem "vernünftigen Ich" löst, ist höchstwahrscheinlich falsch. Ich vermute, dass bis auf die wirklich dissoziativ Belasteten jeder, der Gewalt ausübt, dieses im vollen Bewusstsein dessen macht, etwas in diesem Moment Richtiges zu tun.
• der Drogenboss, der den Informanten erschießt,
• der Autofahrer, der den Drängler ausbremst,
• ...
• wie auch der Priester, welcher das Kind mit welchen Mitteln auch immer dazu bringt, mit ihm Oralverkehr zu haben (und sei es auch "nur" durch ein Bevorzugen bei anderen Dingen/Unternehmungen/... ).
• Selbst der (heterosexuelle) Vergewaltiger einer erwachsenen Frau muss seine Psyche nicht dafür "abspalten", um der Meinung zu sein, dass die Frau einfach kein Recht dazu hat, "nein" zu sagen. ...
Solche Aussagen wie: "...ich weiß auch nicht, wie es dazu kommen konnte. Es ist einfach passiert..." sind m.M.n. Versuche, die eigene Mitwirkung für sich selbst(!) geringer darzustellen. Rückblickend betrachtet wird man i.d.R. feststellen können, dass der Täter in Wahrheit alles dazu getan hat, dass es GENAU SO passieren sollte. Selbst wenn es nicht (wirklich) manipulativ stattgefunden hat, so hat bspw. der Täter irgendwann im Verlauf vor der eigentlichen Tat bemerkt, dass sich eine Situation "zuspitzt" bzw. "ergibt". Und dann hat er die "Weichen" gestellt oder zumindest so belassen, dass es so kommt, wie er es sich wünscht...
Ich hatte von meinem Schlüsselerlebnis beim Duschen-helfen geschrieben. Ich hätte damals sicherlich nur etwas anders lenken müssen ... Und wenn sich etwas "ergibt", wenn das Kind sogar dazu auffordert, berührt zu werden (z.b. beim Abtrocknen(!) zwischen den Beinen) ... ... wieso sollte sich das Kind dann missbraucht fühlen? Worin besteht dabei das Verbrechen? oO ... Du verstehst?
Natürlich kann sich ein Täter bestimmte Denkweisen zurechtlegen, um seine Handlungen als "legitim" und "beiderseits gewünscht" sehen zu können. Aber das hat nichts mit einer "Abspaltung der Psyche" zu tun - weder bei subtilen Taten noch bei offener Gewalt. Menschen sind bei klarem Bewusstsein sogar zu viel mehr Brutalität fähig, als wir dieses wahr haben wollen...
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Leser 25, Du fragst mich nach einer Meinung zu dieser These: Zitat: "..."wenn in dem Priester eine pädophile Neigung steckt, dann würde die auf der "erwachsenen Ebene" so ausgelebt..." Zitat Ende
Mit "erwachsen" meinst Du "die Konsequenzen im Auge haben" o.ä. . Sexualität hat jedoch gar nichts mit "erwachsen" oder "kindlich" zu tun. Es ist ganz einfach: Ohne Erfahrungen probiert man aus, ob etwas gefällt, mit Erfahrungen lässt man das weg, was nicht gefällt. Dabei spielt es erst einmal keine Rolle, ob das ein Erwachsener oder ein Kind tut. Je mehr ein Kind in die Pubertät kommt, umso zielgerichteter wird dieses Ausprobieren. Deshalb kann es durchaus sein, dass schon eine 6.Klässlerin dem umschwärmten Lehrer eindeutig sexuelle Angebote macht...
Dass ich für mich entschieden habe, meine Sexualität den Kindern nicht zu zeigen, hat nichts mit Erwachsen-Sein, und meine Wünsche entgegen dieser Entscheidung haben im Gegenzug nichts mit kindlichen Doktorspielen zu tun. Es steht im Text: Ich wünsche mir eine vollwertige Partnerschaft. Ebenfalls im Text steht der Hauptgrund für meine Entscheidung: Meine Wünsche werden von den Mädchen nicht (gleicherart) erwidert. Und dieses "auf-die-Kinder-hören" hat genauso nichts mit Erwachsen-Sein zu tun, weil man es auch jedem Kind beibringen kann(!), auf die Wünsche seiner "Mitmenschen" zu achten und entsprechend zu handeln.
Leser 25, ich kann nachvollziehen, warum Du es gern so sehen möchtest, wie Du es darstellst. Aber Gewaltbereitschaft des Menschen hat m.M.n. weder etwas mit "Gestörtheit" noch mit "Krankheit" zu tun. Die Gewaltbereitschaft liegt dem Menschen als "Raub-Säugetier" in den Genen. Wir wollen nur immer noch nicht wahrhaben, dass wir diese "Urinstinkte" noch lange nicht überwunden haben - trotz (vermeintlicher) Intelligenz! (Löwenmännchen töten die Jungen des vertriebenen alten Löwen. Menschen bevorteilen die leiblichen Kinder und vernachlässigen(?) die Stiefkinder...)
Die Pädophilie hat mit alledem im Prinzip gar nichts zu tun. Sie ist weder Ursache noch Wirkung von Gewaltbereitschaft und Taten. Die Überschneidung bei diesem Thema ergibt sich dann, wenn ein gewaltbereiter Mensch auch noch pädophil empfindet, weil dann(!) höchstwahrscheinlich ein Kind in Mitleidenschaft gezogen wird. Bei Ersatzhandlungen von Tätern haben selbstbewusste Kinder zumindest die Chance, nicht als "leichte Beute" angesehen zu werden ...
Viele Grüße Frank Denker
Leser 25 hat geschrieben:
Hallo Frank, also ich kann nur sagen interessant... interessant... interessant... und danke... danke... danke...! Ich finde, Du differenzierst so klar, daß ich damit ganz viel anfangen kann. Allerdings das Modell der "Persönlichkeitsanteile" ist Dir (noch) nicht plausibel... aber ich finde es äußerst nützlich und ich kenne kein Besseres... insofern bleibe ich dabei. Also ich bleibe bei meiner Aussage, daß wenn jemand einem Kind seinen Penis in den Mund steckt, daß da aus der Perspektive eines "Erwachsenen Anteils" klar ist, daß das Kind GESCHÄDIGT wird und man ein VERBRECHEN begeht. Das "Erwachsene Ich" bzw. der "Erwachsene von Heute" ist ein PSYCHODYNAMISCHES KONSTRUKT, quasi eine "Setzung", die man braucht, um mit dem Modell der "Persönlichkeits-Anteile" arbeiten zu können. Dieser Anteil, genannt "der Erwachsene von heute" ist so definiert, daß er alle Erfahrungen und Kenntnisse und Fertigkeiten, die jemand im Laufe seines Lebens erworben hat, auf sich vereinigt. Daß ein Verbrecher seinen Verstand und seine Intelligenz benutzt für die Begehung und Vertuschung seiner Taten, widerspricht dem nicht, sondern in dem Modell würde man sagen, da verwendet ein "jüngerer Anteil" die Intelligenz und das logische Denken für seine Zwecke. Also ich bleibe dabei: Ein Verbrechen kann im "erwachsenen Modus" nicht begangen werden, denn zum "Erwachsenen von „Heute" gehört auch WESENTLICH das "Einfühlungsvermögen", die "Realitätsprüfung" und die "Folgenabschätzung für die eigenen Handlungen". Ohne diese Eigenschaften kann man kaum ein "erwachsenes" Leben führen, d. h. weder seinen Lebensunterhalt verdienen noch Partnerschaften leben. Daß das so ist, zeigst Du selbst am besten in Deinen Postings, indem Du z. B. schreibst "ich wünsche mir eine vollwertige Partnerschaft" (die das Kind nicht geben kann). Eine "vollwertige Partnerschaft" ist die Ebene des erwachsenen Lebens. Also es geht nicht um "klares Bewußtsein" bei der Ausübung von verbrecherischer Gewalt, sondern um die Frage "welcher Persönlichkeitsanteil ist da am Werke" und ich bleibe dabei: Es ist NICHT der "Erwachsene von heute", denn der würde spätestens dann sofort aufhören, wenn er merkt, daß er sich selbst am meisten schadet, denn die Ordnungen ALLER menschlichen Gesellschaften beruhen darauf, daß man einem anderen keinen Schaden zufügt... und wer es dennoch tut, wird früher oder später aus dem Verkehr gezogen. Solche Aussagen wie: "...ich weiß auch nicht, wie es dazu kommen konnte. Es ist einfach passiert..." sind m.M.n. Ausdruck dessen, daß der "Täter" zu den Persönlichkeitsanteilen, die da wirken und handeln, keinen direkten Zugang hat. Insofern kann er sich nur herausreden.. und in einer therapeutischen Arbeit käme es dann darauf an, diesen Zugang herzustellen.
Ich glaube, ich muß jetzt hier mal einflechten, daß dieses Modell die Grundlage für ein psychotherapeutisches Vorgehen ist, mit dem man jede Art von "unangemessenem Verhalten" (meistens Selbst-schädigend) erstmal verstehen, d. h. konzeptualisieren, kann und dann daraus, wenn Bedarf besteht, evtl. auch ein psychotherapeutisches Vorgehen ableiten.
Zusätzlich von Gewicht erscheint nun in dem Zusammenhang hier, daß nach Deinem Verständnis (und ich sehe Dich hier als "Experten") ein "Pädophil veranlagter Mensch" primär weder einen Bedarf noch eine Notwendigkeit zur Psychotherapie hat. Erst wenn für jemand seine Impulse Abhängigen gegenüber zum "Problem" werden, dann könnte pth. Unterstützung sinnvoll sein. Verstehe ich Dich da richtig...?
Noch ein Wort zu "Die Gewaltbereitschaft liegt dem Menschen als "Raub-Säugetier" in den Genen". Ja, da stimme ich Dir im Grundsatz zu, allerdings ist die Gewaltbereitschaft der Tiere entweder dem "Raubtier" geschuldet und damit der Nahrungsaufnahme oder der "Verteidigung", wenn eine Kuh z. B. einen Hund tottrampelt, wenn sie befürchtet, daß er ihrem Kalb an den Kragen will. Sonst gibt es Gewalt unter Tieren nur im Rahmen von "Revierkämpfen"... und da geht´s im Grunde auch um die Existenz. Die Gewalt, die Menschen sich gegenseitig antun, geht nach meiner Einschätzung letztlich meist auf Ohnmachtsgefühle oder Benachteiligungsgefühle zurück und nur bei echter Bedrohung wendet ein "Erwachsener Mensch von heute" Gewalt an... alles andere sind problematische psychodynamisch nachvollziehbare Konstrukte, wo sich jemand "bedroht" oder "verfolgt" oder "betrogen" FÜHLT, weil er sich in einem Erfahrungshorizont WÄHNT, der aus Kindertagen resultiert, wo er klein und rel. hilflos der Macht des Schicksals oder der Mitmenschen ausgeliefert war. Aber das ist im Grunde nochmal ein EIGENES Thema. Es grüßt Leser 25
Frank Denker hat geschrieben:Hallo Leser 25,
noch schnell zu Deiner Frage: Ja, Du verstehst mich richtig. Nach meiner Erfahrung braucht ein pädophil empfindender Mensch wegen seiner Empfindungen allein keine psychotherapeutische Unterstützung. Ich gehe - wie in meinen Texten nachzulesen ist - sogar soweit, dass bei einem offeneren und Stigma- freien Umgang mit dieser Sexualpräferenz in der Gesellschaft auch die "Nebenwirkungen" wie Depressionen, Ängste (auch vor sich selbst), soziale Vereinsamung usw. seltener wären und ebenfalls keiner pth. Unterstützung bedürften. Jemanden zum Reden zu haben, um die ablehnende Haltung vieler in unserer Gesellschaft nicht auf sich zu projizieren, ist in vielen Fällen schon ausreichend, damit sich ein Pädophiler in seinem Leben zurechtfinden kann. Dann werden nämlich die "Impulse gegenüber Abhängigen" i.d.R. auch nicht mehr als Problem gesehen sondern gehören einfach zum Leben dazu. Die Kinder bekommen es gar nicht mit. (Meine "Impulse" sind ja auch nicht "weg"...)
Zu folgendem Zitat: "...das Modell der "Persönlichkeitsanteile" ist Dir (noch) nicht plausibel..." Zitat Ende
Wird es wohl auch nicht werden! Dieses Modell geht davon aus, dass ein jeder Erwachsener ein bestimmtes Bewusstsein/ eine bestimmte Bewusstseinsebene entwickelt hat und alle seine bisherigen Erfahrungen geordnet einsetzen kann? Hm... Wenn es ihm doch nicht gelingt, ist er "einfach nicht erwachsen genug"?
Nein, ich denke, dass dieses Modell zwar eine schöne Theorie ist, aber wenn wir mal als praxisnahes Beispiel ein "paar" Jahre zurück blicken, so ist das Gesellschaftsmodell "Sozialismus/Kommunismus" auch daran gescheitert, dass dabei von einem gemeinschaftlichen Bewusstsein bei den (bei allen) Menschen ausgegangen wurde. Man war der Meinung, dass jeder für jeden eintritt, jeder mit allen seinen Möglichkeiten sich in die Gesellschaft einbringt und nur nach seinen wirklich nötigen Bedürfnissen etwas heraus nimmt. Und es wurde davon ausgegangen, dass dieses Bewusstsein für jeden selbstverständlich(!) wäre...
Am Ende hat sich herausgestellt, dass es dieses "kollektive Bewusstsein" gar nicht gab. Jeder hat vor allem daran gedacht, wie er für sich möglichst viel und für andere möglichst wenig tun musste. Jeder! Von ganz "oben" bis ganz "unten"...
Und deshalb ist m.M.n. dieses Modell der "Persönlichkeitsanteile" sogar gefährlich für die Thematik der Pädophilie. Es liefert viel zu viele Möglichkeiten, sich aus seiner persönlichen Verantwortung zu stehlen!
Viele Grüße Frank Denker
Leser 25 hat geschrieben:
Hallo Frank, danke für Deine wieder fundierte Replik. Bevor ich nochmal versuche, das psychotherapeutische Arbeits-Modell mit den Persönlichkeitsanteilen "geradezuziehen", denn es wäre schade, wenn hier im Leserforum ein Konglomerat von Mißverständnissen übrig bleibt, will ich nochmal auf den Dialog zwischen Dir und Robert Zipplies … eingehen und eine Parallele ziehen zur Heterosexualität. Du beschreibst ja sehr offen und gut nachvollziehbar Deine Erfahrungen mit dem nackten Mädchen unter der Dusche und wie angesichts ihrer gücklichen Selbstverständlichkeit Dein Verlangen sich auflöste. Da kam mir folgende Analogie: Wenn ich als heterogener Mann eine Frau sehe, die mir gefällt, bin ich mehr oder weniger damit befaßt, sie in der Phantasie auszuziehen und mir vorzustellen, wie sie wohl aussieht oder anfühlt bis hin zur Überlegung, wie "es" wohl mit ihr wäre. Das ist "normal", variiert mit der "Tagesform" und jede Frau, die sich dessen bewußt ist, daß sie nicht nur ein "Mensch", sondern auch ein "erotisches Subjekt" ist, weiß das und nichts "Weiteres" ergibt sich in der Regel daraus... es sei denn, im Fall des Falles ergibt sich doch was daraus, dann aber im gegenseitigen Einverständnis. ("MeToo" bzw. Opferhaltung jetzt mal bewußt ausgeklammert). Wenn man sich jetzt in Bereichen aufhält, wo man nackten Frauen begegnet, braucht man sie nicht in der Phantasie ausziehen, weil sie es schon sind... und auch hier ergibt sich aus der Begegnung in der Regel nichts Besonderes (im Einzelfall wie oben)... und wenn jemand sagt "die nackten Frauen machen mich zu sehr an", dann geht er halt nicht mehr an einen Nacktbadestrand... oder holt sich vorher einen runter, damit der "Triebstau" (in der Birne...) beseitigt ist. Was ich damit sagen will: Die zwar ggf. durchaus erotisch anziehende Ausstrahlung einer (ggf.nackten) Frau führt nicht automatisch zu einer Erregung, wenn der Eindruck entsteht, daß sie mit sich und man selbst mit sich "zufrieden" ist... bzw. wenn einem die eigene Fähigkeit zur Selbst- und Fremdwahrnehmung sagt, daß sexuelle Erregung hier jetzt nicht hinpaßt. Ich meine, hier kann man die sexuellen Präferenzen (welcher Art auch immer) quasi gleichsetzen und hat dieselben Ergebnisse.
Die "Fähigkeit zur Selbst- und Fremdwahrnehmung" führt mich jetzt zu dem anderen Punkt, nämlich dem Konzept der Persönlichkeitsanteile. Es ist schlicht ein Arbeitsmodell, das v. a. in der Therapie mit traumatisierten Menschen verwendet wird und dort in Kombination mit anderen Methoden gute Dienste leistet, weil es einen Verständnishorizont eröffnet, der sonst nur schwer herzustellen ist. Dieses Modell bewährt sich immer dann, wenn ein Mensch unter Eigenschaften von sich leidet und diese aus eigenem Entschluß nicht verändern kann... und meist auch nicht nachvollziehen kann, warum er/sie diese Eigenarten hat... sich darüber ärgert, sich wundert, sich schämt, verachtet... bis dazu, daß wesentliche Teile des Lebens nicht gelebt werden können.
Ein Beispiel: Ein Mann entwickelt eine Abneigung und Angst gegenüber Frauen, was sich auch in Wut und Hassgefühle steigern kann, die er in der Regel gut kontrollieren kann, aber in der Firma gilt er als "speziell", wird aber seiner seinen Fähigkeiten geschuldeten Sonderposition wegen nicht rausgeworfen. Der Mann ist ein attraktiver, sehr gebildeter, sehr intelligenter, sonst auch umgänglicher und hilfsbereiter "Hetero", gutes Einkommen, auch ein gewisses Vermögen auf der "Kante". Er kann sich sein Verhalten nicht erklären... und je attraktiver die Frau ist, die ihm z. B. im beruflichen Kontext begegnet, desto größer sein Brass. "Alles Lug und Trug" fällt ihm ein... "alles Lug und Trug"...! Gleichzeitig wünscht er sich eine Partnerschaft mit einer Frau, die letzte Beziehung ging vor 20 Jahren auseinander nachdem die Frau geäußert hatte, sie komme sich vor wie seine Mutter. Hier kommt jetzt das Teile-Modell ins Spiel und man erklärt, daß ein Mensch nicht "aus einem Guß" ist oder "verschiedene Seelen in der Brust" hat, die unterschiedliche Erfahrungen verkörpern und unterschiedliche Strebungen haben, daß es vielleicht sogar ein "ganzes Team von inneren Anteilen" gibt bei jedem... und daß es aber immer auch einen "Erwachsenen von heute" gibt, der eben das erwachsene Leben lebt, Beruf ausübt, ggf. Partnerschaft lebt, Geld verdient, Auto fährt, zur Wahl geht... also alle Fähigkeiten und Kenntnisse auf sich vereinigt, die im Laufe des Lebens erworben wurden.
Das begreift der Mann und man kann dann fragen "wer hat da Angst vor Frauen... der "Erwachsene von heute, der weiß, wie das Leben funktioniert... oder vielleicht ein anderer Teil von Ihnen..."? Also im Hin und Her des Abprüfens der Selbst- und Fremdwahrnehmung kristallisiert sich über Stunden heraus, daß es "jüngere Teile" gibt, die sehr mißtrauisch sind... und dem Schicksal geschuldete schlechte Erfahrungen mit Verlusten gemacht haben. Ein Stück Theorie: Ein "jüngerer Anteil" bildet sich aus verinnerlichten Erfahrungshorizonten, die das Bewältigungsvermögen des Individuums auf der Stufe seiner jeweiligen Entwicklung überfordert haben (Trauma-Definition) und versucht, das System vor ähnlichen Begebenheiten und Enttäuschungen hinfort zu schützen. Das bedeutet dann, daß Menschen mit kindlichen Ängsten und Anschauungen behaftet sind, die zum Leben als Erwachsene nie und nimmer passen. Wenn die traumat. Erfahrungshorizonte aber sehr stark sind, sind die Anteile sehr dominant und greifen dem Erwachsenen heftig ins Steuer, was als störend erlebt wird und da der Kontext meist unbewußt ist, kommt derjenige in Therapie. In diesem Falle gab es schon rund um die Geburt heftigste Verluste (Mutter), mit Adoption nach 4 Mon. beste Erfahrungen, dann nochmal (Pubertät) Tod des (Adoptiv-)Vaters... wieder berappelt... und zuletzt Erfahrungen mit Partnerinnen, die aufgrund verschiedener Gründe die Beziehung beendet haben, was sonst ja zwar traurig, aber auch normal ist und verschmerzt wird. Fazit: Da rufen sehr starke jüngere Anteile "Alles Lug und Trug... trau diesen Frauen nicht... laß Dich auf nichts ein... Du wirst enttäuscht werden..." ... während der erwachsene Mann sagt "warum zum Teufel sollte ich keine zu mir passende Frau finden...." Aber die jüngeren Teile sind stärker... Traumatherapie schafft Abhilfe.
Käme nun ein Priester und würde sagen "Ich befürchte, Kindern Gewalt anzutun, weil ich sie so begehre, dann braucht man den "Erwachsenen von Heute" als "Konstrukt", um die Anteile im Gespräch herauszudifferenzieren, die letztlich auf einer zu vermutenden kindlichen Ebene das wollen, was unter Kindern geht... oder in den Griff zu bekommen ist, aber für den Priester unmöglich bzw. ein Verbrechen ist, weil die Ebene nicht stimmt.
Wer kleine Kinder kennt, weiß auch, daß sie in bestimmten Entwicklungsphasen noch kein ausreichendes Einfühlungsvermögen haben und auch keine ausreichende Fähigkeit zur Folgenabschätzung, so daß das eine Baby dem anderen schon mal das Schäufelchen auf den Kopf haut. Deswegen gibt es die Aufsichtspflicht und man schreitet ein... die Kräfte sind gering und der Schaden meist auch. Wenn aber ein erwachsener Mensch von starken kindlichen Anteilen gesteuert wird, dann kann das eben gefährlich werden, weil die Power des Erwachsenen sich in einem kindlichen Horizont bewegt. Meine aus der Arbeit mit Traumatisierten Menschen und der geschilderten Methode stammende Auffassung ist nun, daß es sich lohnen könnte, diesen Ansatz auch im Verständnis von Verbrechen und ggf. auch zur Therapie zu verwenden. Dies ist aber nur meine persönliche Meinung, inwieweit sie von einschlägigen Fachleuten der Kriminalitätsforschung und im Strafvollzug Verwendung findet, weiß ich (noch) nicht. Schöne (Tage) wünscht (Leser 25)
Frank Denker hat geschrieben:Hallo Leser 25,
die Überlegungen zu den "Persönlichkeitsmodellen" führen m.M.n. immer weiter vom eigentlichen Thema Pädophilie weg. Was Du beschreibst, ist das Aufarbeiten der eigenen Vergangenheit zur Ursachenfindung für heutiges Verhalten(!). Und damit trennt sich die "Spreu" schon "vom Weizen"! Wenn sich also der Priester in Deinem Beispiel fragt, warum er es nicht schafft, seine eigenen Interessen hinten an und die des Kindes in den Vordergrund zu stellen, dann mag diese Ursachenforschung sinnvoll sein. Dann kann man u.U. herausfinden, warum dieser Priester einen solch starken Egoismus entwickelt hat, der sich garantiert auch in anderen Bereichen seines Lebens zeigt.
Diese Ursachenforschung des "Persönlichkeits-Modells" scheitert jedoch wie die gesamte Wissenschaft bisher, wenn es darum geht, die Gründe zu ermitteln, warum(!) der Priester ein Kind(!) emotional und sexuell attraktiv empfindet - wenn es so und nicht nur eine "Ausweich-" bzw. Ersatz-Handlung ist, und er sich nur nicht traut, den anderen Priester zu fragen, ob er vielleicht Interesse hat... (Wobei dieses "Ersatz-Handeln" dann schon wieder HANDLUNGS- Ebene ist!)
Es hat sich herausgestellt, dass nicht(!) irgendwelche Erlebnisse in der Kindheit dafür verantwortlich sind, ob und dass jemand in seiner Pubertät eine Pädophilie "entwickelt".
Was mir mit dem Artikel wichtig zu verdeutlichen war und ist, betrifft jedoch nicht die steuerbare Handlungs-Ebene eines Pädophilen. Bei einer Handlung gegen die sexuelle Selbstbestimmung eines Kindes muss er sich wie jeder andere auch dafür verantworten! Mir ist es wichtig zu verdeutlichen, dass der (allgemeine) Blick der Gesellschaft auf die Pädophilie als Sexualpräferenz getrübt ist durch die einseitige Konzentration auf sexuelle Übergriffe, und somit für Pädophile selbst der Umgang mit ihrer Neigung besonders erschwert wird. Jedes Outen birgt heute noch immer das Risiko des familiären, beruflichen und sonstigen sozialen Super-GAU. Das Signal, dass man bereit ist, Pädophilie als Empfindung nicht zu verurteilen, muss jeder von sich aus nach außen tragen. Erst dann weiß(!) ein Pädophiler, dass er sich vertrauensvoll und Vertrauens- erwartend "öffnen" kann.
Viele Grüße Frank Denker
Leser 25 hat geschrieben:
Hallo Frank, Dein Anliegen hast Du nach meinem Dafürhalten in einer Weise und in einem Umfang deutlich gemacht, daß ich es mir nicht besser vorstellen könnte. Alle Achtung...! Dir folgend sollte man also NICHT davon ausgehen, daß "Pädophilie" eine ursächliche Verwurzelung in der Geschichte einer Person hat... so wie man das bei "Schwulen" ja auch nicht annimmt.
Wenn jemand aber in der Verfolgung seiner sexuellen Neigung "egoistisch" ist, wo Du es nennst, dann könnte das auf eine Störung in der Persönlichkeitsentwicklung hindeuten, die man günstigstenfalls psychotherapeutisch angehen kann, ungünstigstenfalls muß man ihn wegsperren.
Der pth. Ansatz bezöge sich dann nicht auf die "Neigung", sondern auf die fehlende Einfühlung und Wahrnehmung des Kindes bzw. die fehlende Impulskontrolle.
Warum ich das "Teile-Modell" hier nochmal "geradegezogen" habe, hat seinen Grund darin, daß dieses Modell eines der Besten ist, das ich kenne und hier nicht im "Zwielicht" verdämmern sollte. Mit herzl. Gruß Leser 25
PS: Wenn es nützlich ist, kannst Du meine Einlassungen gerne weiter verwenden.
Gruß
Frank Denker
Nachdem ich eigentlich die Diskussion als beendet gesehen habe, hat sich noch ein 25. Leser geäußert und als 7. auch der Verwendung seiner Texte zugestimmt.
Nicht nur wegen Letzterem finde ich, dass seine Gedanken gewisse Denkansätze liefern, weshalb ich nachfolgend die gesamten neuen Beiträge poste. Vor allem folgende abschließenden Worte empfinde ich als extrem wichtig: [quote= "Leser 25"]Der pth. (Anm. d.h. psychotherapeutische) Ansatz bezöge sich dann nicht auf die "Neigung", sondern auf die fehlende Einfühlung und Wahrnehmung des Kindes bzw. die fehlende Impulskontrolle. [/quote]
Zum Thema Ursachenforschung und darauf aufbauende psychoterapeutische Ansätze:
[spoiler=Lesedauer ca. 35 min][quote][quote="Leser 25"]
Hallo Frank, hallo Alisa, hallo Zusammen, also ich kann wieder mal nur mit größtem Respekt den Hut ziehen vor dem KR-Projekt und insbesondere vor seiner Qualität bzw. seinen Qualitäten. Hier wird mit großer (Selbst-) Verständlichkeit in erster Linie natürlich von Frank ein Thema abgehandelt, von dem ich mir schon lange wünsche, daß man (die Gesellschaft) sich drum kümmert. Mein Anliegen ist weiter gefaßt als das, was man mehr oder minder als "Pädophilie" bezeichnet, mir geht es um das Phänomen des "Mißbrauchs" generell und dabei um die Frage, warum Menschen anderen Menschen etwas "antun", wobei mehr oder minder ausgeprägt die Anwendung von "Gewalt" im Spiele ist. Besonders beeindruckt hat mich Franks Bericht an den Punkten, wo er sich eben klar davon abgrenzt, das Kind zu "benutzen". Mich bewegt die Frage, wie es ein Priester, Lehrer, Vater, Onkel etc. schafft, ein Kind für seine Zwecke zu "verwenden"... obwohl er in aller Regel weiß, wie schädlich dies für das Kind bzw. seine Entwicklung ist. Die Mütter, die die Liebe ihrer Kinder zur Erhöhung des eigenen Wohlbefindens verwenden (emotionaler Mißbrauch) lasse ich jetzt mal außen vor, auch weil hier keine offene Gewalt im Spiele ist.
Die bisherige Reaktion der Gesellschaft auf "Mißbrauch" beschränkt sich auf Abscheu und Wegsperren. Damit kommt man natürlich nicht viel weiter solange man nicht fragt, wie das Phänomen zustande kommt, also sich mit dem Verursachungskontext befaßt. Warum ich mein Anliegen hier jetzt einbringe hat damit zu tun, daß Frank Einblick gegeben hat in das Selbsterleben eines reflektierten und damit im Wortsinne Selbst-bewußten sog. Pädophilen... und ich benutze diesen Begriff hier jetzt einfach weiter, weil oder solange es keinen besseren gibt.
Bei der Frage, wie es Priestern ect... möglich ist, Kinder zu mißbrauchen, stellt sich mir die Frage, ob solche Menschen nicht in VERSCHIEDENEN Bewußtseins-Zuständen leben. Ein einfaches alltägliches Beispiel für verschiedene Bewußtseinszustände ist wohl, wenn jemand "böse" wird, den man als "freundlich" kennt. Dann sagt und tut er Dinge, die er "normalerweise" nicht sagen oder tun würde... und die Umgebung sagt "so kenne ich den oder die gar nicht". In der Regel sind die verschiedenen "Modi" des Erlebens und Handelns miteinander verbunden, der Betreffende weiß, was er tut oder getan hat und kann es halbwegs vernünftig begründen, warum er jetzt eben "böse" geworden ist. Wenn ein Priester (oder ein Vater, Onkel, Trainer etc.) einem Kind seinen Penis in den Mund steckt, ist meine Hypothese, daß man davon ausgehen muß, daß hier zwei voneinander unabhängig erlebende und handelnde Persönlichkeits-"Anteile" wirken:
• Der erwachsene und gebildete Würdenträger, der weiß, daß solches Handeln die Entwicklung eines Kindes ruiniert...
• und ein (wie ich bisher vermutete) "kindlicher" Anteil, der auf dem Entwicklungsniveau von Kindern ist, die in einem bestimmten Alter eben auch gerne "Doktor-Spiele" machen.
Ich gehe davon aus, daß der "Kardinal" und der "Doktor-Spieler" höchstens RUDIMENTÄR miteinander verbunden sind. So war bisher eben meine Arbeitshypothese zur Erklärung des Phänomens.
Jetzt, nach der Lektüre dieses Artikels und des umfangreichen Kommentar-Anhangs stelle ich mir (und Euch) die Frage, ob es nicht auch ein mehr oder minder unbewußter oder zumindest unterdrückter "Pädophiler" sein könnte, der da an die Oberfläche tritt und sich holt, was er braucht, um dann wieder hinter oder im "Kardinal" oder "Vater" oder oder... zu verschwinden. Über Rückmeldungen freut sich Leser 25[/quote]
[quote="Leser 3"]
Hallo Leser 25, ich sehe einiges ein wenig kritisch an deinem Text, doch der Reihe nach: Zunächst einmal, ich bin nicht zwangsläufig für andauerndes Gendern, fände aber grade vor dem Hintergrund, was hier immer wieder mitdiskutiert wurde, nämlich das sprachliche Framing von Täter*innen, wichtig zu erwähnen, dass es auch gewalttätigen Missbrauch durch Frauen (Lehrerinnen, Müttern, Tanten etc.) bzw. nicht-gewalttätigen Missbrauch, Manipulation etc. durch Männer gibt. Grundsätzlich teile ich (und ich glaube, aus den Diskussionen hier zu entnehmen, viele andere auch) deinen Wunsch, den "Verursachungskontext" von Taten stärker in den Fokus zu stellen, den Vorsorge ist gerade in solchen Zusammenhängen wesentlich wünschenswerter als Nachsorge (Strafe, Gefängnis). Andererseits zeigt uns gerade Franks Sicht, dass überfürsorgliche Vorsorge zu einer Stigmatisierung führen kann. Zudem denke ich, dass dieser Wunsch nach "Verursachungskontext" schnell in die Falle der Generalisierung und/oder des "Alle-unter-einen-Hut-zwängens führen kann, was mMn auch bei dir angedeutet wird. Ich hatte beim Lesen deiner Gedankengänge zum (psychischen) Hintergrund der Missbrauchstäter sofort das ganz starke Gefühl, du beschreibst Personen mit einer dissoziativen Identitätsstörung (DIS). Betroffene entwickeln, wie du beschreibst, verschiedene Persönlichkeiten, die sehr unterschiedlich sein können, und können sich dessen bewusst sein, sind es aber idR nicht. Selbst wenn du nicht dieses Extremum einer Krankheit, sondern nur Vorstufen davon im Sinn hattest, finde ich es sehr schwierig, allen (oder selbst den meisten) gewalttätigen Missbrauchstätern einen DIS-Hintergrund zu unterstellen. Ganz abgesehen davon, was das mit dem Framing der DIS-Betroffenen machen würde, glaube ich nicht, dass sich dieser Zusammenhang empirisch halten lässt. Ich habe zumindest keine Untersuchungen oder Statistiken, die einen solchen Zusammenhang nahelegen würden, finden können. Mir fallen zudem spontan zahlreiche andere Motive bzw. Hintergründe ein, die bei einem solchen Kurzschluss zwischen DIS und Missbrauchstaten nicht beachtet werden würden: Ich glaube z.B., selbst deine Prämisse, dass der Täter "in aller Regel weiß, wie schädlich dies [der Missbrauch] für das Kind bzw. seine Entwicklung ist", lässt sich nicht halten (und zu Tätern, bei denen das doch der Fall ist, fallen mir übrigens noch dissoziale Persönlichkeitsstörungen ein, die ihre Tat und Folgen rational einschätzen können, aber zu einer "normalen" emotionalen Beurteilung nicht in der Lage sind). Frank hat, wie er, glaube ich, auch selbst sagt, großes Glück, dass er in einem "normalen, guten" Umfeld aufgewachsen ist und sich noch heute bewegt (Frank, ich hoffe, ich trete dir mit dieser Annahme nicht zu nahe), dass er also soziale Verhaltensregeln gut erlernen konnte und an diese tagtäglich erinnert wird. Es gibt einige, denen dieses "Glück" nicht vergönnt ist, die in bereits gewalttätigen Umfeldern aufwachsen, wo also nicht unbedingt die traumatischen Auswirkungen von Gewalt als etwas, was man anderen nicht zufügt, erlernt werden, sondern vielleicht sogar als Alltag. Andere Stichworte wären persönliche Grenzen, Impulskontrolle etc. Ich denke also, dass Täter nicht zwangsläufig in dem Wissen handeln, etwas schlimmes zu tun, geschweige denn, sich immer über die Folgen ihres Handelns für die Opfer (Entwicklungsstörungen, Traumatisierung) im Klaren sind. Und ein letzter Hinweis noch: Im Gegenteil kann es sogar vorkommen, dass Täter (wie auch Opfer) sich aufgrund des Traumas der Tat erst im Nachhinein zu DIS-Betroffenen entwickeln, um das Erlebte zu verarbeiten. Also, alles in allem kommt es zumindest bei mir so an, als wäre deine Gleichung etwas zu einfach aufgebaut und ich hoffe, ich konnte dich doch zu einigen erweiternden Gedanken anregen. Ich glaube auch, nicht umsonst ist bisher die Nachsorge deutlich besser ausgebaut, denn die Ergründung der individuellen "Verursachungskontexte" erfordert deutlich mehr Zeit, Recherche und die Erforschung von Zusammenhängen, die gerade noch in den Kinderschuhen steckt. LG, Leser 3[/quote]
[quote="Leser 25"]
Hallo Leser 3, es freut mich, bei Dir auf jemand getroffen zu sein, die sich auch für die Hintergründe interessiert. Wenn Du findest, ich hätte das Thema zu sehr "reduziert", dann ist dies dem Umstand geschuldet, aus der grenzenlos erscheinenden Komplexität bio-psycho-sozialer Vorgänge (Hirn-Seele-Geist-soz. Miteinander) ein paar nachvollziehbare Stränge oder Linien herauszuarbeiten und mit Hilfe von halbwegs geeigneten Worten und Begriffen in einen Rahmen wie hier zu stellen in der Hoffnung, sich so verständlich ausgedrückt zu haben, daß andere Leute anbeißen und ein Dialog entsteht. Als jemand, der sich in der Schnittmenge von Natur- Geistes- und Sozialwissenschaften bewegt, wollte ich auf Fachterminologie bewußt verzichten und die Dinge in einer verständlichen Alltagssprache rüberbringen. Zu meinen Hypothesen bzw. "Gleichungen": Diese sind bewußt "reduziert", sonst kann man mit ihnen nicht gut umgehen. Wenn das nicht reicht, muß man halt noch andere Hypothesen dazu bilden, sie überprüfen... und am Ende das Ganze wieder zu einem Ganzen zusammenbauen, denn eine Summe von Einzelwahrheiten macht noch kein Ganzes.
Zum Bewußtseinszustand von "Tätern": Meine Hypothese ist, daß man Verbrechen nur in einem Zustand begehen kann, in der die "erwachsene" Seite der Persönlichkeit ausgeschaltet ist. Ich gehe aber schon davon aus, daß jeder Erwachsene über die erwachsenen Anteile verfügt, aber in der "Täterschaft" sind sie nicht präsent... und die ganze Persönlichkeit ist nicht gut integriert, sonst könnte der "Täteranteil" nicht so eigenmächtig handeln.
Mein Punkt, zu dem ich durch diesen Beitrag angeregt wurde, ist immer noch der: Steckt hinter dem ein Kind mißbrauchenden Priester ein "Kind, das Doktor-Spiele machen möchte" oder ein "Pädophiler", der das Problem hat, daß ihm nichts wirklich bewußt ist. Im letzteren Fall müßte man dann noch fragen, wieso da überhaupt Gewalt ins Spiel kommt... wobei das vermutlich auch nicht immer so ist... Verführung auf Seiten des Täters und Gutgläubigkeit auf Seiten des Kindes reicht vielleicht auch. Mit herzl. Gruß Leser 25
PS: Bei im Zölibat lebenden Priestern kann man ja auch einen erheblichen "Triebstau" und Schuldgefühle vermuten, denn Sexuelle Gefühle und Handlungen sind ja nicht gestattet. Freud bezeichnete die Sexualität des Menschen als "polymorph-pervers", was nicht abfällig gemeint ist, sondern beschreibend: "Vielgestaltig-sich in vielerlei Hinsicht ergebend". Aber "gar nicht" geht wahrscheinlich für Trieb-starke und wenig zur Sublimation fähige Männer nicht. Frank schrieb ja von einer erfüllten Sexualität mit seiner Frau, so daß er vermutlich nicht in einen "Triebstau" kommt...[/quote]
[quote="Frank Denker"]Hallo Leser 25,
zuerst zu Deinem P.S.: "Triebstau" ist ein Begriff aus der Denkweise heraus, dass bei einem Mann permanent Samen nachproduziert werden, die ja irgendwie wieder "raus" müssen... Inzwischen ist allgemein bekannt, dass die Spermien nach 3 Tagen in den Hoden wieder abgebaut werden. Der eigentliche "Tieb" findet im Kopf statt. Somit ist es auch immer abhängig von den jeweiligen Tagesumständen, wie stark dieser "Trieb" - also der Wunsch nach Sexualität - in den Vordergrund rückt. Es ist ebenfalls ein Trugschluss, dass ich als verheirateter Pädophiler ja "...meine Frau zur Triebabfuhr habe..."... Diese Meinung höre ich nicht zum ersten Mal. Und doch kann ich am nächsten Tag einen unbändigen Wunsch nach Selbstbefriedigung zu intensiven Phantasien mit einem Mädchen verspüren (Anm.: mit mir allein!!!), obwohl am Abend zuvor meine Frau und ich beiderseits erfüllende Sexualität erlebt haben. (rotwerd) Wenn es also so einfach wäre, wie Du vermutest,... Ich weiß gar nicht, ob ich das als schön empfinden würde.
Auch bei Deiner Hypothese zu den Ursachen für missbrauchendes Verhalten denke ich, dass es wirklich gut wäre, wenn Du Recht hättest. Denn dann könnte man diese "Abspaltung" versuchen aufzubrechen, und Missbrauch wäre "Geschichte". Ich befürchte jedoch, dass es viel schlimmer ist! Ich befürchte, dass das, was wir hier als Missbrauch bezeichnen (die ganze Bandbreite: emotional, psychisch, physisch, sexuell, usw.), für denjenigen, der diesen begeht gar keiner ist! Der jeweilige "Täter" handelt m.M.n. mit dem klaren Bewusstsein, dass alles, was er tut, sein gutes Recht ist! Selbst die Tatsache, dass zur Durchsetzung seines Rechtes andere u.U. leiden müssen, ist für ihn absolut legitim, weil es für die eigene, persönliche Selbstverwirklichung unumgänglich ist!
Zuerst einmal: Wie komme ich zu solch einer vernichtenden "Arbeitshypothese"? Danach: Was kann man tun?
Wie komme ich also zu diesen Gedanken? Der Mensch ist zu allererst einmal ein Säugetier, welches (nach unserer Auffassung) etwas mehr Intelligenz abbekommen hat. Der Mensch ist aufgrund dieser Intelligenz immer bestrebt, mehr zu erreichen, als aktuell möglich erscheint. Und das tut er nicht wirklich wie eine Arbeitsbiene im Rahmen seiner Aufgabe innerhalb der Gesellschaft, sondern jeder sucht sich (prinzipiell und entsprechend seinen Möglichkeiten) den Platz in der Gesellschaft selbst aus. Doch dabei bleibt es nicht, denn Zeit seines Lebens versucht der Mensch, vor allem sich selbst zu verwirklichen, mehr aus seinem Leben zu machen, selbst glücklich und nicht nur "Arbeitsbiene" zu sein. Natürlich gibt es dabei Überschneidungen, dass ein Mensch etwas für das Glück von anderen tut, wie z.B. die Mutter, die um jeden Preis alles für die eigenen Kinder tut. Aber nüchtern betrachtet ist selbst das nur eine Handlung, die der eigenen Lebens- Erfüllung dient...
Der Mensch ist ein Individualist, der - wenn er ohne dem leben könnte - auf die ganze gesellschaftliche Sozialisierung verzichten würde. Das gilt zumindest die letzten paar Tausend Jahre und wohl noch eine Weile länger... Weil es sich aber für das eigene Überleben besser macht, die Aufgaben zu verteilen, haben sich unsere Gesellschaften entwickelt. Wir glauben zwar, dass wir als Menschen "über den Dingen" stehen, und doch verhalten wir uns nicht anders, als z.B. das Wolfsrudel, welches sich eines der rangniedrigsten Tiere als "Omega-Wolf" aussuchen. Es ist nicht nur an den Schulen so, auch in allen anderen menschlichen Strukturen gibt es diesen "Omega-Prügel-Knaben". Und alle anderen "darüber" sehen entweder weg oder hauen selbst mit d'rauf - froh darüber, nicht selbst dort unten zu stehen. Vielleicht haben sie sogar Mitleid mit dem Geplagten, aber tatsächlich würden sie lieber gern oben am anderen Ende stehen und genauso überzeugt herangehen, dass es völlig legitim ist, dass andere unter einem stehen. Und damit meine ich nicht (unbedingt) die betrieblichen Hierarchien, die für das Funktionieren einer Firma unerlässlich sind. Ich meine die menschlichen Strukturen mittendrin. Ich meine das, was jeder selbst für sein eigenes Leben und das seiner Mitmenschen unmittelbar um ihn herum beeinflussen kann.
Somit bin ich bei dem Thema, was sich ändern müsste: Eine Gesellschaft funktioniert aufgrund von sich entwickelten und weiter entwickelnden Regeln, Moralvorstellungen, gesetzlichen Reglementierungen, Wünschen, Bedürfnissen, Möglichkeiten, ... All' dieses schränkt die persönliche Individualität eines jeden Einzelnen ein. Ob wir jemals zu einer Gesellschaft erstarken, in welcher im Kopf eines jeden einzelnen der Gedanke an das Gemeinwohl überwiegt? Ich weiß es nicht! Aber wenn jeder einzelne schon heute die eigene Verantwortung für etwas nicht an andere abschiebt (Eltern z.B., die der Meinung sind, dass es reicht, wenn die Kinder in der Schule "erzogen" werden...) und diese Verantwortung als Teil seiner Aufgabe in diesem Leben sieht, selbst wenn es Einschränkungen für sich selbst bedeutet, dann wären eine Menge der aktuellen Probleme gar nicht mehr so omnipräsent. Wenn also - um beim eigentlichen Thema des Artikels zu bleiben - ein pädophil empfindender Mensch einmal weniger sich selbst im Mittelpunkt seines Denkens hat und z.B.(!) zumindest versucht, den Kindern zuzuhören, dann könnte er einmal mehr erkennen, dass die eigenen Wünsche "nicht so wirklich" mit denen der Kinder übereinstimmen. Und wenn jeder andere ein Mal weniger der Meinung ist, es sei sein "gutes Recht", Pädophile allein aufgrund ihrer Gefühle abzuurteilen, selbst wenn sie niemals auch nur in Erwägung ziehen, sexuell mit Kindern zu interagieren, dann bräuchten die Pädophilen auch ein Mal weniger mit der Angst leben, zum "Omega-Wolf" der Gesellschaft gemacht zu werden, damit sich die "anderen" von ihrer eigenen Verantwortung ablenken können... ...
Missbrauch ist vielschichtig. Bei manchem hat man erst jetzt erkannt, dass sich jemand durch etwas missbraucht fühlen kann. Jetzt gilt es, diese gesellschaftlichen Erkenntnisse auch "breitenwirksam" umzusetzen, indem jeder in seinem Umfeld und vor allem bei sich selbst darauf achtet, ob es wirklich "sein/ihr gutes Recht" ist, was er/sie gerade tut. Denn wenn wirklich jeder daran mitwirkt, jedem die "Normen" des gesellschaftlichen Zusammenlebens zu vermitteln, indem diese "Normen" von jedem(!) aus Überzeugung vor-gelebt werden, dann wird es m.M.n. irgendwann einmal normal, dass jeder beim morgendlichen Aufwachen nicht(!) zuerst daran denkt, was die anderen für einen tun können... Dann haben nämlich auch mehr Menschen wie ich dieses - nein Leser 3, Du bist mir damit nicht zu nahe getreten! - Glück eines "normalen, guten Umfeldes"!
Jeder zuerst einmal im "Kleinen" bei sich - und dann in seinem Umfeld ...
Viele Grüße Frank Denker
P.S. Dass "gesellschaftliche Normen" kein starres Konstrukt sondern viel eher ein dynamisches Leitbild sein müssen, sollte klar sein![/quote]
[quote="Leser 25"]
Hallo Frank, hallo zusammen, ich bin begeistert...! Das Thema gewinnt weiter an Tiefe und Breite und ohne "Rechthaberei"... so gehört sich das und KRAUTREPORTER macht´s möglich... danke an alle, die an der Möglichmachung beteiligt sind und an Dich, Frank und Alisa in vorderster Linie...! Also daß der "Triebstau" im Kopf stattfindet, da hast Du recht und für mich gehört zum "Trieb" im positiven Sinne das Streben nach einem "Höhepunkt" im weiteren Sinne, wozu körperliche Nähe, Hingabe, Verschmelzung und intensive Liebesgefühle gehören, ob dabei eine Samenabgabe erfolgt, ist dann gar nicht mehr so wichtig. Wie ausgiebig und oft man diese "Triebabfuhr" (ich würde es lieber "Höhepunkt" nennen) haben will, ist wohl ziemlich unterschiedlich... mit fällt der Satz von Martin Luther ein, der ja nach Aufgabe des Mönchsdaseins zur Häufigkeit des Sexuallebens mit seiner Frau, der ehem. Nonne Katharina von Bora, gesagt haben soll "in der Woche zwier, schadet weder ihm noch ihr". Auch bei der Frage, ob diese "Höhepunkte" in eine (Liebes-) Beziehung eingebettet sind, gibt es große Unterschiede: Von "unbedingt" bis zu "bloß nicht" gibt es hier alle Variationen von der Masturbation mit intensiven Phantasien, Bildern, Filmen (ein Paradies, aus dem man nicht vertrieben werden kann) über den Puff, Leute, die nur mit Urlaubsbekanntschaften Sex haben, bis hin zur festen Monogamie. Wie mag sich nun ein "Pädophiler" in diesem Spektrum verorten...?
Ansonsten finde ich Deinen (ich würde ihn "soziologisch" nennen) Ansatz gut nachvollziehbar.
Wenn es aber um "Mißbrauch" und "Anwendung von Gewalt" geht, reicht die Soziologie m. E. nicht aus, da braucht man psychologische Ansätze und da erscheint mir das Konzept der "Dissoziation", also der "Persönlichkeitsspaltung" in verschiedene Anteile, das auch Leser 3 eingebracht hat, fast unverzichtbar. Ich will das nochmal ableiten: Da ein Kind keinen Bedarf und keinen Nutzen daran hat, einen Priesterpenis in den Mund gesteckt zu bekommen, ist nahezu zwangsläufig Gewalt im Spiel. Der "erwachsene" Persönlichkeitsanteil eines Priesters (oder Trainers, Vaters, Onkels...) kann diese Gewalt nicht ausüben, denn "erwachsene" Anteile von Personen sind definitionsgemäß (dies ist ein Arbeitsmodell) auf dem Stand der Bildung, Erkenntnis und Lebenserfahrung des betreffenden Menschen und da ist klar, daß das Kind GESCHÄDIGT wird und man ein VERBRECHEN begeht.
Die Folge wäre, daß der Mißbrauch eigentlich nur von einem Persönlichkeitsanteil ausgeübt werden kann, der nicht über die Kenntnisse, die Einsichts- und Steuerungsfähigkeit des Erwachsenen verfügt, also eben ein Kind in dem Alter und Entwicklungsstand, das zu "Doktor-Spielen" paßt. Das war bisher für mich der Stand der Dinge und nun dachte ich, Du könntest da noch spezifische Erkenntnisse beisteuern. Ich stelle mir jetzt vor, Du würdest sagen "wenn in dem Priester eine pädophile Neigung steckt, dann würde die auf der "erwachsenen Ebene" so ausgelebt", also so, wie Du es tust, nämlich ohne Beteiligung eines Kindes.
Offen leibt dann die Frage, wie die Gewaltanwendung bzw. das Verbrechen zustande kommt... und da könnte dann auch wieder die Dissoziation greifen.
PS: Das Modell der Persönlichkeitsanteile, in dem der Mensch eben über eine Anzahl solcher mehr oder weniger verbundener "Teile" verfügt, die aus verschiedenen Erfahrungshorizonten des Lebens stammen, ist natürlich nur ein "Modell"... d. h. es ist nützlich zum Verständnis von Phänomenen, hat aber Grenzen und darf nicht "reifiziert", also nicht mit der Realität verwechselt werden. Mit besten Grüßen Leser 25[/quote]
[quote="Frank Denker"]
Hallo Leser 25, ich hatte es schon einmal geschrieben: "Es wäre schön, wenn es so (einfach) wäre."
Zitat: "...da ist klar, daß das Kind GESCHÄDIGT wird und man ein VERBRECHEN begeht." Zitat Ende
Was jedoch ist, wenn dieses eben GAR NICHT klar ist? Bitte nicht falsch verstehen! Ich meine damit nicht meine(!) Einstellung! Doch Dein Ansatz, jemand könne nur dann Gewalt (in jedweder Form) ausüben, wenn er sich von seinem "vernünftigen Ich" löst, ist höchstwahrscheinlich falsch. Ich vermute, dass bis auf die wirklich dissoziativ Belasteten jeder, der Gewalt ausübt, dieses im vollen Bewusstsein dessen macht, etwas in diesem Moment Richtiges zu tun.
• der Drogenboss, der den Informanten erschießt,
• der Autofahrer, der den Drängler ausbremst,
• ...
• wie auch der Priester, welcher das Kind mit welchen Mitteln auch immer dazu bringt, mit ihm Oralverkehr zu haben (und sei es auch "nur" durch ein Bevorzugen bei anderen Dingen/Unternehmungen/... ).
• Selbst der (heterosexuelle) Vergewaltiger einer erwachsenen Frau muss seine Psyche nicht dafür "abspalten", um der Meinung zu sein, dass die Frau einfach kein Recht dazu hat, "nein" zu sagen. ... :(
Solche Aussagen wie: "...ich weiß auch nicht, wie es dazu kommen konnte. Es ist einfach passiert..." sind m.M.n. Versuche, die eigene Mitwirkung für sich selbst(!) geringer darzustellen. Rückblickend betrachtet wird man i.d.R. feststellen können, dass der Täter in Wahrheit alles dazu getan hat, dass es GENAU SO passieren sollte. Selbst wenn es nicht (wirklich) manipulativ stattgefunden hat, so hat bspw. der Täter irgendwann im Verlauf vor der eigentlichen Tat bemerkt, dass sich eine Situation "zuspitzt" bzw. "ergibt". Und dann hat er die "Weichen" gestellt oder zumindest so belassen, dass es so kommt, wie er es sich wünscht...
Ich hatte von meinem Schlüsselerlebnis beim Duschen-helfen geschrieben. Ich hätte damals sicherlich nur etwas anders lenken müssen ... Und wenn sich etwas "ergibt", wenn das Kind sogar dazu auffordert, berührt zu werden (z.b. beim Abtrocknen(!) zwischen den Beinen) ... ... wieso sollte sich das Kind dann missbraucht fühlen? Worin besteht dabei das Verbrechen? oO ... Du verstehst?
Natürlich kann sich ein Täter bestimmte Denkweisen zurechtlegen, um seine Handlungen als "legitim" und "beiderseits gewünscht" sehen zu können. Aber das hat nichts mit einer "Abspaltung der Psyche" zu tun - weder bei subtilen Taten noch bei offener Gewalt. Menschen sind bei klarem Bewusstsein sogar zu viel mehr Brutalität fähig, als wir dieses wahr haben wollen...
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Leser 25, Du fragst mich nach einer Meinung zu dieser These: Zitat: "..."wenn in dem Priester eine pädophile Neigung steckt, dann würde die auf der "erwachsenen Ebene" so ausgelebt..." Zitat Ende
Mit "erwachsen" meinst Du "die Konsequenzen im Auge haben" o.ä. . Sexualität hat jedoch gar nichts mit "erwachsen" oder "kindlich" zu tun. Es ist ganz einfach: Ohne Erfahrungen probiert man aus, ob etwas gefällt, mit Erfahrungen lässt man das weg, was nicht gefällt. Dabei spielt es erst einmal keine Rolle, ob das ein Erwachsener oder ein Kind tut. Je mehr ein Kind in die Pubertät kommt, umso zielgerichteter wird dieses Ausprobieren. Deshalb kann es durchaus sein, dass schon eine 6.Klässlerin dem umschwärmten Lehrer eindeutig sexuelle Angebote macht...
Dass ich für mich entschieden habe, meine Sexualität den Kindern nicht zu zeigen, hat nichts mit Erwachsen-Sein, und meine Wünsche entgegen dieser Entscheidung haben im Gegenzug nichts mit kindlichen Doktorspielen zu tun. Es steht im Text: Ich wünsche mir eine vollwertige Partnerschaft. Ebenfalls im Text steht der Hauptgrund für meine Entscheidung: Meine Wünsche werden von den Mädchen nicht (gleicherart) erwidert. Und dieses "auf-die-Kinder-hören" hat genauso nichts mit Erwachsen-Sein zu tun, weil man es auch jedem Kind beibringen kann(!), auf die Wünsche seiner "Mitmenschen" zu achten und entsprechend zu handeln.
Leser 25, ich kann nachvollziehen, warum Du es gern so sehen möchtest, wie Du es darstellst. Aber Gewaltbereitschaft des Menschen hat m.M.n. weder etwas mit "Gestörtheit" noch mit "Krankheit" zu tun. Die Gewaltbereitschaft liegt dem Menschen als "Raub-Säugetier" in den Genen. Wir wollen nur immer noch nicht wahrhaben, dass wir diese "Urinstinkte" noch lange nicht überwunden haben - trotz (vermeintlicher) Intelligenz! (Löwenmännchen töten die Jungen des vertriebenen alten Löwen. Menschen bevorteilen die leiblichen Kinder und vernachlässigen(?) die Stiefkinder...)
Die Pädophilie hat mit alledem im Prinzip gar nichts zu tun. Sie ist weder Ursache noch Wirkung von Gewaltbereitschaft und Taten. Die Überschneidung bei diesem Thema ergibt sich dann, wenn ein gewaltbereiter Mensch auch noch pädophil empfindet, weil dann(!) höchstwahrscheinlich ein Kind in Mitleidenschaft gezogen wird. Bei Ersatzhandlungen von Tätern haben selbstbewusste Kinder zumindest die Chance, nicht als "leichte Beute" angesehen zu werden ...
Viele Grüße Frank Denker[/quote]
[quote="Leser 25"]
Hallo Frank, also ich kann nur sagen interessant... interessant... interessant... und danke... danke... danke...! Ich finde, Du differenzierst so klar, daß ich damit ganz viel anfangen kann. Allerdings das Modell der "Persönlichkeitsanteile" ist Dir (noch) nicht plausibel... aber ich finde es äußerst nützlich und ich kenne kein Besseres... insofern bleibe ich dabei. Also ich bleibe bei meiner Aussage, daß wenn jemand einem Kind seinen Penis in den Mund steckt, daß da aus der Perspektive eines "Erwachsenen Anteils" klar ist, daß das Kind GESCHÄDIGT wird und man ein VERBRECHEN begeht. Das "Erwachsene Ich" bzw. der "Erwachsene von Heute" ist ein PSYCHODYNAMISCHES KONSTRUKT, quasi eine "Setzung", die man braucht, um mit dem Modell der "Persönlichkeits-Anteile" arbeiten zu können. Dieser Anteil, genannt "der Erwachsene von heute" ist so definiert, daß er alle Erfahrungen und Kenntnisse und Fertigkeiten, die jemand im Laufe seines Lebens erworben hat, auf sich vereinigt. Daß ein Verbrecher seinen Verstand und seine Intelligenz benutzt für die Begehung und Vertuschung seiner Taten, widerspricht dem nicht, sondern in dem Modell würde man sagen, da verwendet ein "jüngerer Anteil" die Intelligenz und das logische Denken für seine Zwecke. Also ich bleibe dabei: Ein Verbrechen kann im "erwachsenen Modus" nicht begangen werden, denn zum "Erwachsenen von „Heute" gehört auch WESENTLICH das "Einfühlungsvermögen", die "Realitätsprüfung" und die "Folgenabschätzung für die eigenen Handlungen". Ohne diese Eigenschaften kann man kaum ein "erwachsenes" Leben führen, d. h. weder seinen Lebensunterhalt verdienen noch Partnerschaften leben. Daß das so ist, zeigst Du selbst am besten in Deinen Postings, indem Du z. B. schreibst "ich wünsche mir eine vollwertige Partnerschaft" (die das Kind nicht geben kann). Eine "vollwertige Partnerschaft" ist die Ebene des erwachsenen Lebens. Also es geht nicht um "klares Bewußtsein" bei der Ausübung von verbrecherischer Gewalt, sondern um die Frage "welcher Persönlichkeitsanteil ist da am Werke" und ich bleibe dabei: Es ist NICHT der "Erwachsene von heute", denn der würde spätestens dann sofort aufhören, wenn er merkt, daß er sich selbst am meisten schadet, denn die Ordnungen ALLER menschlichen Gesellschaften beruhen darauf, daß man einem anderen keinen Schaden zufügt... und wer es dennoch tut, wird früher oder später aus dem Verkehr gezogen. Solche Aussagen wie: "...ich weiß auch nicht, wie es dazu kommen konnte. Es ist einfach passiert..." sind m.M.n. Ausdruck dessen, daß der "Täter" zu den Persönlichkeitsanteilen, die da wirken und handeln, keinen direkten Zugang hat. Insofern kann er sich nur herausreden.. und in einer therapeutischen Arbeit käme es dann darauf an, diesen Zugang herzustellen.
Ich glaube, ich muß jetzt hier mal einflechten, daß dieses Modell die Grundlage für ein psychotherapeutisches Vorgehen ist, mit dem man jede Art von "unangemessenem Verhalten" (meistens Selbst-schädigend) erstmal verstehen, d. h. konzeptualisieren, kann und dann daraus, wenn Bedarf besteht, evtl. auch ein psychotherapeutisches Vorgehen ableiten.
Zusätzlich von Gewicht erscheint nun in dem Zusammenhang hier, daß nach Deinem Verständnis (und ich sehe Dich hier als "Experten") ein "Pädophil veranlagter Mensch" primär weder einen Bedarf noch eine Notwendigkeit zur Psychotherapie hat. Erst wenn für jemand seine Impulse Abhängigen gegenüber zum "Problem" werden, dann könnte pth. Unterstützung sinnvoll sein. Verstehe ich Dich da richtig...?
Noch ein Wort zu "Die Gewaltbereitschaft liegt dem Menschen als "Raub-Säugetier" in den Genen". Ja, da stimme ich Dir im Grundsatz zu, allerdings ist die Gewaltbereitschaft der Tiere entweder dem "Raubtier" geschuldet und damit der Nahrungsaufnahme oder der "Verteidigung", wenn eine Kuh z. B. einen Hund tottrampelt, wenn sie befürchtet, daß er ihrem Kalb an den Kragen will. Sonst gibt es Gewalt unter Tieren nur im Rahmen von "Revierkämpfen"... und da geht´s im Grunde auch um die Existenz. Die Gewalt, die Menschen sich gegenseitig antun, geht nach meiner Einschätzung letztlich meist auf Ohnmachtsgefühle oder Benachteiligungsgefühle zurück und nur bei echter Bedrohung wendet ein "Erwachsener Mensch von heute" Gewalt an... alles andere sind problematische psychodynamisch nachvollziehbare Konstrukte, wo sich jemand "bedroht" oder "verfolgt" oder "betrogen" FÜHLT, weil er sich in einem Erfahrungshorizont WÄHNT, der aus Kindertagen resultiert, wo er klein und rel. hilflos der Macht des Schicksals oder der Mitmenschen ausgeliefert war. Aber das ist im Grunde nochmal ein EIGENES Thema. Es grüßt Leser 25[/quote]
[quote="Frank Denker"]Hallo Leser 25,
noch schnell zu Deiner Frage: Ja, Du verstehst mich richtig. Nach meiner Erfahrung braucht ein pädophil empfindender Mensch wegen seiner Empfindungen allein keine psychotherapeutische Unterstützung. Ich gehe - wie in meinen Texten nachzulesen ist - sogar soweit, dass bei einem offeneren und Stigma- freien Umgang mit dieser Sexualpräferenz in der Gesellschaft auch die "Nebenwirkungen" wie Depressionen, Ängste (auch vor sich selbst), soziale Vereinsamung usw. seltener wären und ebenfalls keiner pth. Unterstützung bedürften. Jemanden zum Reden zu haben, um die ablehnende Haltung vieler in unserer Gesellschaft nicht auf sich zu projizieren, ist in vielen Fällen schon ausreichend, damit sich ein Pädophiler in seinem Leben zurechtfinden kann. Dann werden nämlich die "Impulse gegenüber Abhängigen" i.d.R. auch nicht mehr als Problem gesehen sondern gehören einfach zum Leben dazu. Die Kinder bekommen es gar nicht mit. (Meine "Impulse" sind ja auch nicht "weg"...)
Zu folgendem Zitat: "...das Modell der "Persönlichkeitsanteile" ist Dir (noch) nicht plausibel..." Zitat Ende
Wird es wohl auch nicht werden! Dieses Modell geht davon aus, dass ein jeder Erwachsener ein bestimmtes Bewusstsein/ eine bestimmte Bewusstseinsebene entwickelt hat und alle seine bisherigen Erfahrungen geordnet einsetzen kann? Hm... Wenn es ihm doch nicht gelingt, ist er "einfach nicht erwachsen genug"?
Nein, ich denke, dass dieses Modell zwar eine schöne Theorie ist, aber wenn wir mal als praxisnahes Beispiel ein "paar" Jahre zurück blicken, so ist das Gesellschaftsmodell "Sozialismus/Kommunismus" auch daran gescheitert, dass dabei von einem gemeinschaftlichen Bewusstsein bei den (bei allen) Menschen ausgegangen wurde. Man war der Meinung, dass jeder für jeden eintritt, jeder mit allen seinen Möglichkeiten sich in die Gesellschaft einbringt und nur nach seinen wirklich nötigen Bedürfnissen etwas heraus nimmt. Und es wurde davon ausgegangen, dass dieses Bewusstsein für jeden selbstverständlich(!) wäre...
Am Ende hat sich herausgestellt, dass es dieses "kollektive Bewusstsein" gar nicht gab. Jeder hat vor allem daran gedacht, wie er für sich möglichst viel und für andere möglichst wenig tun musste. Jeder! Von ganz "oben" bis ganz "unten"...
Und deshalb ist m.M.n. dieses Modell der "Persönlichkeitsanteile" sogar gefährlich für die Thematik der Pädophilie. Es liefert viel zu viele Möglichkeiten, sich aus seiner persönlichen Verantwortung zu stehlen!
Viele Grüße Frank Denker[/quote]
[quote="Leser 25"]
Hallo Frank, danke für Deine wieder fundierte Replik. Bevor ich nochmal versuche, das psychotherapeutische Arbeits-Modell mit den Persönlichkeitsanteilen "geradezuziehen", denn es wäre schade, wenn hier im Leserforum ein Konglomerat von Mißverständnissen übrig bleibt, will ich nochmal auf den Dialog zwischen Dir und Robert Zipplies … eingehen und eine Parallele ziehen zur Heterosexualität. Du beschreibst ja sehr offen und gut nachvollziehbar Deine Erfahrungen mit dem nackten Mädchen unter der Dusche und wie angesichts ihrer gücklichen Selbstverständlichkeit Dein Verlangen sich auflöste. Da kam mir folgende Analogie: Wenn ich als heterogener Mann eine Frau sehe, die mir gefällt, bin ich mehr oder weniger damit befaßt, sie in der Phantasie auszuziehen und mir vorzustellen, wie sie wohl aussieht oder anfühlt bis hin zur Überlegung, wie "es" wohl mit ihr wäre. Das ist "normal", variiert mit der "Tagesform" und jede Frau, die sich dessen bewußt ist, daß sie nicht nur ein "Mensch", sondern auch ein "erotisches Subjekt" ist, weiß das und nichts "Weiteres" ergibt sich in der Regel daraus... es sei denn, im Fall des Falles ergibt sich doch was daraus, dann aber im gegenseitigen Einverständnis. ("MeToo" bzw. Opferhaltung jetzt mal bewußt ausgeklammert). Wenn man sich jetzt in Bereichen aufhält, wo man nackten Frauen begegnet, braucht man sie nicht in der Phantasie ausziehen, weil sie es schon sind... und auch hier ergibt sich aus der Begegnung in der Regel nichts Besonderes (im Einzelfall wie oben)... und wenn jemand sagt "die nackten Frauen machen mich zu sehr an", dann geht er halt nicht mehr an einen Nacktbadestrand... oder holt sich vorher einen runter, damit der "Triebstau" (in der Birne...) beseitigt ist. Was ich damit sagen will: Die zwar ggf. durchaus erotisch anziehende Ausstrahlung einer (ggf.nackten) Frau führt nicht automatisch zu einer Erregung, wenn der Eindruck entsteht, daß sie mit sich und man selbst mit sich "zufrieden" ist... bzw. wenn einem die eigene Fähigkeit zur Selbst- und Fremdwahrnehmung sagt, daß sexuelle Erregung hier jetzt nicht hinpaßt. Ich meine, hier kann man die sexuellen Präferenzen (welcher Art auch immer) quasi gleichsetzen und hat dieselben Ergebnisse.
Die "Fähigkeit zur Selbst- und Fremdwahrnehmung" führt mich jetzt zu dem anderen Punkt, nämlich dem Konzept der Persönlichkeitsanteile. Es ist schlicht ein Arbeitsmodell, das v. a. in der Therapie mit traumatisierten Menschen verwendet wird und dort in Kombination mit anderen Methoden gute Dienste leistet, weil es einen Verständnishorizont eröffnet, der sonst nur schwer herzustellen ist. Dieses Modell bewährt sich immer dann, wenn ein Mensch unter Eigenschaften von sich leidet und diese aus eigenem Entschluß nicht verändern kann... und meist auch nicht nachvollziehen kann, warum er/sie diese Eigenarten hat... sich darüber ärgert, sich wundert, sich schämt, verachtet... bis dazu, daß wesentliche Teile des Lebens nicht gelebt werden können.
Ein Beispiel: Ein Mann entwickelt eine Abneigung und Angst gegenüber Frauen, was sich auch in Wut und Hassgefühle steigern kann, die er in der Regel gut kontrollieren kann, aber in der Firma gilt er als "speziell", wird aber seiner seinen Fähigkeiten geschuldeten Sonderposition wegen nicht rausgeworfen. Der Mann ist ein attraktiver, sehr gebildeter, sehr intelligenter, sonst auch umgänglicher und hilfsbereiter "Hetero", gutes Einkommen, auch ein gewisses Vermögen auf der "Kante". Er kann sich sein Verhalten nicht erklären... und je attraktiver die Frau ist, die ihm z. B. im beruflichen Kontext begegnet, desto größer sein Brass. "Alles Lug und Trug" fällt ihm ein... "alles Lug und Trug"...! Gleichzeitig wünscht er sich eine Partnerschaft mit einer Frau, die letzte Beziehung ging vor 20 Jahren auseinander nachdem die Frau geäußert hatte, sie komme sich vor wie seine Mutter. Hier kommt jetzt das Teile-Modell ins Spiel und man erklärt, daß ein Mensch nicht "aus einem Guß" ist oder "verschiedene Seelen in der Brust" hat, die unterschiedliche Erfahrungen verkörpern und unterschiedliche Strebungen haben, daß es vielleicht sogar ein "ganzes Team von inneren Anteilen" gibt bei jedem... und daß es aber immer auch einen "Erwachsenen von heute" gibt, der eben das erwachsene Leben lebt, Beruf ausübt, ggf. Partnerschaft lebt, Geld verdient, Auto fährt, zur Wahl geht... also alle Fähigkeiten und Kenntnisse auf sich vereinigt, die im Laufe des Lebens erworben wurden.
Das begreift der Mann und man kann dann fragen "wer hat da Angst vor Frauen... der "Erwachsene von heute, der weiß, wie das Leben funktioniert... oder vielleicht ein anderer Teil von Ihnen..."? Also im Hin und Her des Abprüfens der Selbst- und Fremdwahrnehmung kristallisiert sich über Stunden heraus, daß es "jüngere Teile" gibt, die sehr mißtrauisch sind... und dem Schicksal geschuldete schlechte Erfahrungen mit Verlusten gemacht haben. Ein Stück Theorie: Ein "jüngerer Anteil" bildet sich aus verinnerlichten Erfahrungshorizonten, die das Bewältigungsvermögen des Individuums auf der Stufe seiner jeweiligen Entwicklung überfordert haben (Trauma-Definition) und versucht, das System vor ähnlichen Begebenheiten und Enttäuschungen hinfort zu schützen. Das bedeutet dann, daß Menschen mit kindlichen Ängsten und Anschauungen behaftet sind, die zum Leben als Erwachsene nie und nimmer passen. Wenn die traumat. Erfahrungshorizonte aber sehr stark sind, sind die Anteile sehr dominant und greifen dem Erwachsenen heftig ins Steuer, was als störend erlebt wird und da der Kontext meist unbewußt ist, kommt derjenige in Therapie. In diesem Falle gab es schon rund um die Geburt heftigste Verluste (Mutter), mit Adoption nach 4 Mon. beste Erfahrungen, dann nochmal (Pubertät) Tod des (Adoptiv-)Vaters... wieder berappelt... und zuletzt Erfahrungen mit Partnerinnen, die aufgrund verschiedener Gründe die Beziehung beendet haben, was sonst ja zwar traurig, aber auch normal ist und verschmerzt wird. Fazit: Da rufen sehr starke jüngere Anteile "Alles Lug und Trug... trau diesen Frauen nicht... laß Dich auf nichts ein... Du wirst enttäuscht werden..." ... während der erwachsene Mann sagt "warum zum Teufel sollte ich keine zu mir passende Frau finden...." Aber die jüngeren Teile sind stärker... Traumatherapie schafft Abhilfe.
Käme nun ein Priester und würde sagen "Ich befürchte, Kindern Gewalt anzutun, weil ich sie so begehre, dann braucht man den "Erwachsenen von Heute" als "Konstrukt", um die Anteile im Gespräch herauszudifferenzieren, die letztlich auf einer zu vermutenden kindlichen Ebene das wollen, was unter Kindern geht... oder in den Griff zu bekommen ist, aber für den Priester unmöglich bzw. ein Verbrechen ist, weil die Ebene nicht stimmt.
Wer kleine Kinder kennt, weiß auch, daß sie in bestimmten Entwicklungsphasen noch kein ausreichendes Einfühlungsvermögen haben und auch keine ausreichende Fähigkeit zur Folgenabschätzung, so daß das eine Baby dem anderen schon mal das Schäufelchen auf den Kopf haut. Deswegen gibt es die Aufsichtspflicht und man schreitet ein... die Kräfte sind gering und der Schaden meist auch. Wenn aber ein erwachsener Mensch von starken kindlichen Anteilen gesteuert wird, dann kann das eben gefährlich werden, weil die Power des Erwachsenen sich in einem kindlichen Horizont bewegt. Meine aus der Arbeit mit Traumatisierten Menschen und der geschilderten Methode stammende Auffassung ist nun, daß es sich lohnen könnte, diesen Ansatz auch im Verständnis von Verbrechen und ggf. auch zur Therapie zu verwenden. Dies ist aber nur meine persönliche Meinung, inwieweit sie von einschlägigen Fachleuten der Kriminalitätsforschung und im Strafvollzug Verwendung findet, weiß ich (noch) nicht. Schöne (Tage) wünscht (Leser 25)[/quote]
[quote="Frank Denker"]Hallo Leser 25,
die Überlegungen zu den "Persönlichkeitsmodellen" führen m.M.n. immer weiter vom eigentlichen Thema Pädophilie weg. Was Du beschreibst, ist das Aufarbeiten der eigenen Vergangenheit zur Ursachenfindung für heutiges Verhalten(!). Und damit trennt sich die "Spreu" schon "vom Weizen"! Wenn sich also der Priester in Deinem Beispiel fragt, warum er es nicht schafft, seine eigenen Interessen hinten an und die des Kindes in den Vordergrund zu stellen, dann mag diese Ursachenforschung sinnvoll sein. Dann kann man u.U. herausfinden, warum dieser Priester einen solch starken Egoismus entwickelt hat, der sich garantiert auch in anderen Bereichen seines Lebens zeigt.
Diese Ursachenforschung des "Persönlichkeits-Modells" scheitert jedoch wie die gesamte Wissenschaft bisher, wenn es darum geht, die Gründe zu ermitteln, warum(!) der Priester ein Kind(!) emotional und sexuell attraktiv empfindet - wenn es so und nicht nur eine "Ausweich-" bzw. Ersatz-Handlung ist, und er sich nur nicht traut, den anderen Priester zu fragen, ob er vielleicht Interesse hat... (Wobei dieses "Ersatz-Handeln" dann schon wieder HANDLUNGS- Ebene ist!)
Es hat sich herausgestellt, dass nicht(!) irgendwelche Erlebnisse in der Kindheit dafür verantwortlich sind, ob und dass jemand in seiner Pubertät eine Pädophilie "entwickelt".
Was mir mit dem Artikel wichtig zu verdeutlichen war und ist, betrifft jedoch nicht die steuerbare Handlungs-Ebene eines Pädophilen. Bei einer Handlung gegen die sexuelle Selbstbestimmung eines Kindes muss er sich wie jeder andere auch dafür verantworten! Mir ist es wichtig zu verdeutlichen, dass der (allgemeine) Blick der Gesellschaft auf die Pädophilie als Sexualpräferenz getrübt ist durch die einseitige Konzentration auf sexuelle Übergriffe, und somit für Pädophile selbst der Umgang mit ihrer Neigung besonders erschwert wird. Jedes Outen birgt heute noch immer das Risiko des familiären, beruflichen und sonstigen sozialen Super-GAU. Das Signal, dass man bereit ist, Pädophilie als Empfindung nicht zu verurteilen, muss jeder von sich aus nach außen tragen. Erst dann weiß(!) ein Pädophiler, dass er sich vertrauensvoll und Vertrauens- erwartend "öffnen" kann.
Viele Grüße Frank Denker[/quote]
[quote="Leser 25"]
Hallo Frank, Dein Anliegen hast Du nach meinem Dafürhalten in einer Weise und in einem Umfang deutlich gemacht, daß ich es mir nicht besser vorstellen könnte. Alle Achtung...! Dir folgend sollte man also NICHT davon ausgehen, daß "Pädophilie" eine ursächliche Verwurzelung in der Geschichte einer Person hat... so wie man das bei "Schwulen" ja auch nicht annimmt.
Wenn jemand aber in der Verfolgung seiner sexuellen Neigung "egoistisch" ist, wo Du es nennst, dann könnte das auf eine Störung in der Persönlichkeitsentwicklung hindeuten, die man günstigstenfalls psychotherapeutisch angehen kann, ungünstigstenfalls muß man ihn wegsperren.
Der pth. Ansatz bezöge sich dann nicht auf die "Neigung", sondern auf die fehlende Einfühlung und Wahrnehmung des Kindes bzw. die fehlende Impulskontrolle.
Warum ich das "Teile-Modell" hier nochmal "geradegezogen" habe, hat seinen Grund darin, daß dieses Modell eines der Besten ist, das ich kenne und hier nicht im "Zwielicht" verdämmern sollte. Mit herzl. Gruß Leser 25
PS: Wenn es nützlich ist, kannst Du meine Einlassungen gerne weiter verwenden.[/quote]
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Gruß
Frank Denker